Null Arbeit, 4100 Euro netto
Beamte des Ausrüstungsamts der Bundeswehr in Koblenz sind unterbeschäftigt.
KOBLENZ Jürgen P. (Name geändert) hat eine Stelle. Aber keine Arbeit. Keine E-Mail, kein Anruf, kein Arbeitsauftrag, niemand will etwas von ihm. Einfach nur die Platte putzen in seinem zehn Quadratmeter großen Büro. Und das nach vielen Dienstjahren für etwa 4100 Euro netto jeden Monat, ein Gehalt, von dem viele Arbeitnehmer im Lande nur träumen können.
P. ist technischer Beamter in Diensten des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz. So geht das seit mehr als einem Jahr. Frühmorgens rein, nachmittags raus. Tätigkeit: null. Hoch bezahlt, nicht gefragt.
Hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht bald nach ihrem Amtsantritt angekündigt, sie wolle die Bundeswehr zu einem der modernsten Arbeitgeber machen? Und dazu eigens die frühere McKinsey-Managerin Katrin Suder angeheuert, die im Range einer Staatssekretärin den Auftrag hatte, den undurchsichtigen Dschungel von Beschaffung und Rüstung zu lichten? Seit Jahrzehnten pflegt die Rüstungslobby als quasi monopolistischer Anbieter enge Kontakte in die Koblenzer Behörde mit ihren insgesamt knapp 11.000 Dienstposten auf dem Papier, davon 6500 Stellen in Koblenz, Lahnstein und Bonn.
In seiner Verzweiflung über seine Nullbeschäftigung bei vollem Salär schaltet der 59-jährige technische Beamte P. Anfang Juli eine Stellenanzeige in der Koblenzer „Rhein-Zeitung“, die dann zuerst über den Fall berichtet. Der Beamte erzählt dem Blatt, er sei mittlerweile in psychiatrischer Behandlung und habe einen Herzinfarkt erlitten. Vor allem: Er sei kein Einzelfall. Mittlerweile ist ein zweiter technischer Beamter aus dem Koblenzer Bundesamt an die Öffentlichkeit gegangen, ebenfalls in der „Rhein-Zeitung“.
Der Mann sagt über sich: „Ich war Hartz-IV-Beamter.“Auch dieser Fall liest sich unglaublich. Der Bedienstete, studierter Mechatroniker, war nach eigener Beschreibung völlig falsch eingesetzt. Er musste trotz seiner Qualifikation nur einfachste Sachverhalte prüfen, etwa ob Software, die das Bundesamt bestellt hatte, auch auf der Rechnung stehe. Wohlgemerkt in einer Behörde, die beklagt, dass derzeit 1000 Dienstposten nicht besetzt seien und sie deswegen in Teilen überlastet sei.
Dieser zweite Bedienstete meldet sich in seiner Verzweiflung für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Aus dem technischen Beamten wird ein Soldat – bis sich die Rüstungsbehörde meldet. Er sei nicht abkömmlich und müsse zurück ins Amt, so erzählt es der Beamte seiner Zeitung am Ort. Der Fall des 59-Jährigen, der die Stellenanzeige geschaltet hatte, sei sogar „hoch bis zur Ministerin“gegangen, erzählen sie in Koblenz. Noch am Tag der Stellenanzeige habe die Amtsführung Krisenalarm ausgelöst.
Der Vorsitzende des Verbandes des technischen Dienstes bei der Bundeswehr, Jens Obermeyer, selbst beim Rüstungsamt beschäftigt, bestätigt das Bore-out-Syndrom in der Bundesbehörde: „Da haben wir eine erkleckliche Anzahl an Mitarbeitern, das stimmt.“Obermeyer legt Wert auf die Feststellung, dass dies für die Gesamtheit der Bediensteten in Koblenz nicht gelte. Bei den einen „brennt der Baum“, andere wiederum seien unterbeschäftigt.
Die Rüstungsbehörde antwortet auf Anfrage schriftlich, das Bundesamt komme „seinen Aufgaben nach. In den vergangenen vier Jahren sind in den Strukturen und Prozessen der Beschaffungsorganisation aber auch systemische Grenzen erkennbar geworden.“Im Übrigen sei der Vorwurf der Unterbeschäftigung „haltlos“.