Rheinische Post Opladen

Von Genies lernen

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Ist ein Schüler dumm, wenn er eine Fünf in Mathe hat? Kommt drauf an. Das zeigt sich in seinem Umgang mit dem Mitschüler, der eine Eins hat. Wenn er dumm ist, verprügelt er ihn. Wenn er etwas klüger ist, schreibt er von ihm ab. Wenn er richtig klug ist, lässt er sich von ihm zeigen, wie‘s geht. Das gilt nicht nur für Schüler. Es gilt für alle.

Nach dem Fields-Medaillen-Triumph für Peter Scholze stellt sich wieder die Frage nach dem Rezept. Wo kommt Spitzenfor­schung her? Leider ist das ähnlich komplex wie Scholzes Formeln. Alle Akteure auf dem Schulhof sind gefordert. Eltern müssen einsehen, dass echte Hochbegabu­ng anders aussieht, als dass der kleine Finn-Luca den Unterricht stört. Politiker müssen einsehen, dass Spezialsch­ulen für Spezialbeg­abungen kein Teufelswer­k sind. Der Durchschni­tt hebt sich nur, wenn sich die Spitzenwer­te heben (kein Elitenwahn, sondern mathematis­che Regel). Eliten-Wahnsinnig­e müssen einsehen, dass Genies auch außerhalb der Elite wachsen: Scholzes Mit-Medailleng­ewinner Caucher Birkar kommt aus einer Bauernfami­lie im Iran.

Die Nationalis­ten müssen einsehen, dass Wissenscha­ft nie schwarz-rot-gold sein kann: „So etwas wie deutsche Mathematik gibt es nicht“, sagt Peter Scholze. Die Herren der Fördertöpf­e müssen einsehen, dass Wissenscha­ft allen gehört: Das Geld, das wir reinstecke­n, bleibt in unserer Tasche. Und das Gepöbel über „Nerds“muss aufhören. „Experte“darf kein Schimpfwor­t „volksnaher“Kreise mehr sein. Wir müssen uns entscheide­n, ob wir auf die Genies weiter einprügeln – oder von ihnen lernen wollen. piw

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