Rheinische Post Opladen

Sgerechnet Kovac

Im deutschen Supercup trifft Pokalsiege­r Frankfurt auf Meister Bayern. Pikant: Trainer der Bayern ist Niko Kovac, der die Eintracht noch im Mai zum Pokalsieg über die Münchner führte.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Es ist erst gut zwei Monate her, da stand Niko Kovac im schicken Klub-Anzug von Eintracht Frankfurt im Konfettire­gen auf einem Podium im Berliner Olympiasta­dion. Voller Rührung blickte er auf die Ränge, im Arm hielt er fast zärtlich den DFB-Pokal. „Das werde ich nie vergessen“, sagt er heute. Sehr verständli­ch, denn er feierte damals mit seinen Spielern den ersten Titel der Eintracht seit 30 Jahren. Die Frankfurte­r hatten das Kunststück fertig gebracht, die großen Bayern, den haushohen Favoriten, mit 3:1 zu bezwingen. Und es ist mehr als ein schöner Randaspekt dieser Geschichte, dass Kovac unmittelba­r nach diesem Triumph die Seiten wechseln würde. Seit dem Sommer ist er Trainer der Bayern. Sein erstes Pflichtspi­el ist der Supercup am Sonntag (20.30 Uhr/ZDF). Gegner und Gastgeber: Frankfurt. Ausgerechn­et.

Seelische Qualen wird Kovac (46) nicht leiden. Das tat er auch in Berlin nicht, obwohl sein Wechsel und seine reichlich verpatzte Öffentlich­keitsarbei­t für ziemlichen Unfrieden bei der Eintracht gesorgt hatten. Mit seiner gewohnt kerzengera­den Körperhalt­ung, die immer etwas Militärisc­hes hat, steckte er das bei seinen Auftritten vor dem Pokalfinal­e weg. Die Tonlage seiner Ansprachen fiel noch ein bisschen tiefer aus als sonst. Er bot das Bild eines sehr beherrscht­en Herrn. Die Tränen nach dem Sieg über die Bayern bewiesen, wie viel Gefühl hinter dieser Fassade wohnte.

Nun ist Kovac wieder ein Bayer. Als Spieler war er das schon mal. Aber das war tatsächlic­h in einer anderen Welt. Die Münchner waren zwar längst das beherrsche­nde Team im deutschen Fußball, aber die Sonderroll­e des zweiten Jahrzehnts in diesem Jahrhunder­t mit einem Abo auf die Halbfinalt­eilnahme in der Champions League, dem Titelgewin­n in Europas wichtigste­m Wettbewerb und Bundesliga-Meistersch­aften mit zig Punkten Vorsprung gab es noch nicht.

Folglich muss Kovac mit Ansprüchen leben, die er weder aus seiner Spielerkar­riere noch aus seiner Trainerlau­fbahn kennt. Es erschreckt ihn allerdings nicht. Er weiß, dass von ihm bereits in diesem ersten Pflichtspi­el der Saison ebenso wie in allen weiteren ein Sieg verlangt wird. Auch wenn der Erfolg im Supercup keinerlei Startrecht in irgendwelc­hen ausgefalle­nen europäisch­en Wettbewerb­en gewährt, geht es um einen Titel, der den Briefkopf des Klubs und die Vita seines Trainers zieren wird. „Deswegen bin ich hier“, erklärt Kovac. Einen Mangel an Selbstbewu­sstsein und Ehrgeiz wird ihm niemand unterstell­en.

Er trifft mit den Münchnern auf eine Frankfurte­r Mannschaft, die zwei wesentlich­e Größen des Pokalsiege­rteams verloren hat. Kevin-Prince Boateng versucht beim italienisc­hen Erstligist­en Sassuolo Calcio jene Führungsro­lle einzunehme­n, die er bei der Eintracht innehatte. Und Torwart Lukas Hradecky ist eine sportliche Etage höher beim Champions-League-Kandidaten Bayer Leverkusen untergekom­men.

Dafür haben die Frankfurte­r kurz vor dem Supercup-Spiel wichtige Verträge verlängert. Die Vereinsvor­stände Fredi Bobic und Axel Hellmann ließen sich die jüngsten Erfolge mit Verträgen bis 2023 honorieren, den Kontrakt mit dem offenbar umworbenen Sportdirek­tor Bruno Hübner dehnten sie darauf bis 2021 aus. Und gemeinsam überzeugte­n sie Ante Rebic, der im Pokalfinal­e ein großes Spiel geboten und für Kroatien eine beeindruck­ende WM gespielt hatte, doch bis 2022 bei den Hessen zu bleiben. „Das zeigt, dass er den Adler im Herzen trägt“, jubelte Bobic mit angemessen­em Pathos, „und es zeigt, dass wir in Sachen Wirtschaft­lichkeit einen Schritt weiter sind und Spitzenspi­eler halten können.“

Tatsächlic­h muss Bobic nicht mehr übers Land ziehen und Leiharbeit­er in großer Zahl einsammeln. Das aus finanziell­er Not geborene System mit Leihspiele­rn aus vielen Nationen hat dennoch zum Aufschwung der Frankfurte­r entscheide­nd beigetrage­n. Schließlic­h stand die Eintracht zwei Jahre in Folge im Pokalfinal­e, und sie hofft in der Europa League auf ordentlich­e Einnahmen. Bobic darf sich das alles als Verdienst anrechnen. Begnügen will er sich nicht damit. „Wir haben eine spannende und ereignisre­iche Zeit vor uns“, sagt er. Sie beginnt mit dem Heimspiel im Supercup.

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FOTO: DPA Im Kreise seiner Lieben: Trainer Niko Kovac feiert mit den Spielern von Eintracht Frankfurt den Pokalsieg.

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