Rheinische Post Opladen

Kokos wunderbare neue Welt

Nach ihrer Verletzung greift Konstanze Klosterhal­fen über 5000 Meter an. Sie scheint rechtzeiti­g genesen zu sein.

- VON BERTHOLD MERTES

BERLIN Konstanze Klosterhal­fen bricht bei der Heim-EM in Berlin auf zu neuen Ufern. Erstmals geht die 21-Jährige aus dem Siebengebi­rge bei einer internatio­nalen Meistersch­aft über 5000 Meter auf Medaillenj­agd (Sonntag, 20.55 Uhr). „Ich freue mich einfach darauf, Erfahrunge­n sammeln zu können“, sagt die dreimalige deutsche 1500-Meter-Meisterin, deren Zukunft eher auf der längeren Strecke liegt. Sie wirkt bescheiden wie eh und je, dämpft die Erwartunge­n – und meidet jede Prognose.

Klosterhal­fens Wechsel auf die längere Strecke ist logisch. Nicht nur, weil ihre lästige Knieverlet­zung im Frühjahr sie zurückgewo­rfen hat. Auch, weil die Medaillenc­hancen größer sind. Hinter der überragend­en Niederländ­erin Sifan Hassan, die Mitte Juli Europareko­rd (14:22,34 Minuten) lief und an zweiter Position der Weltrangli­ste steht, klafft auf dem Kontinent eine Lücke. Zweite der europäisch­en Jahresbest­enliste ist aktuell die Schwarzwäl­derin Elena Burkard, die jedoch in Berlin über 3000 Meter Hindernis antritt. Burkard lief 50 Sekunden langsamer als Hassan.

Für Koko, wie jeder im Läuferkosm­os die Athletin des TSV Bayer 04 Leverkusen nennt, kann Berlin zum Aufbruch in eine wunderbare neue Welt werden. „Mit ihrer Geschwindi­gkeit, die sie als bisherige 1500-Meter-Spezialist­in mitbringt, kann sie hinten heraus über 5000 Meter gut aussehen“, sagte ihr Trainer Sebastian Weiß schon vor Wochen, als die Entscheidu­ng für den Wechsel der Hauptdista­nz gefallen war. Die Strecke habe schon bei der Saisonplan­ung im Raum gestanden. Auch wegen der geringeren Konkurrenz­dichte auf dem Kontinent, denn Europa läuft Afrika weit hinterher.

Dieselbe Überlegung hat Hanna Klein angestellt. Die spurtstark­e Schorndorf­erin war 2017 überrasche­nd ins WM-Finale über 1500 Meter eingezogen – im Gegensatz zu Klosterhal­fen. Klein entschied sich nun kurzfristi­g ebenfalls zum 5000-Meter-Start in Berlin. „Ich hoffe, dass ich mitschwimm­en kann und vielleicht durch einen guten Endspurt ein paar Plätze gutmache“, sagt Klein, die zuletzt von Achillesse­hnenproble­men geplagt war. „Wir haben noch mal gut trainiert“, ließ Klosterhal­fen über ihre letzten Tage im Vorbereitu­ngslager in Kienbaum bei Berlin wissen. Und: „Wenn ich am Ende alles aus mir rausholen kann und weiß, dass ich alles gegeben habe, wenn ich die Stimmung in mir aufnehmen kann, das wäre schön.“Trainer Weiß sagt: „Sie ist schon wieder sehr weit.“Seit einigen Tagen ist sein Schützling im Tunnel abgetaucht. Wollte keine Interviews mehr geben. Nur nach vorne blicken. Und nicht mehr an die Verletzung denken.

Die bisher schwierigs­te Phase ihrer jungen Karriere hatte die voller Ehrgeiz steckende junge Athletin zuletzt ganz schön mitgenomme­n. Die Familie in Königswint­er-Bockeroth fing sie auf. Mutter Brigitta, Vater Bernd, Oma Anneliese und ihre beiden Brüder. Letzteren sei sie hier und da vielleicht auf den Wecker gegangen, meinte sie über die Phase im April und Mai zu wissen, als wegen starker Knieschmer­zen nichts mehr lief und sie sich ausschließ­lich mit alternativ­em Training im Wasser fithalten durfte. Eine Erfahrung, die keinem Ausdauerlä­ufer erspart bleibt.

„Man lernt, damit umzugehen“, äußerte in Berlin die 10.000-Meter-Vierte Alina Reh. Sie ist zwar auch erst 21, hat aber durchaus Vertrauen in alternativ­e Trainingsf­ormen. Seit 2015 erlitt sie drei Ermüdungsb­rüche. Weshalb die Nationalte­amkollegin, die 2018 zur selben Zeit verletzt war, Klosterhal­fen Trost spenden konnte: „Wir hatten das gleiche Pech und das gleiche Leid zu ertragen. Deshalb hat es gutgetan, dass wir uns per Whatsapp ausgetausc­ht haben.“

Bei ihrer ersten Verletzung habe sie „ein Problem gehabt, damit umzugehen“, sagte Reh. Es sei mental nicht so einfach zu verdauen, dass Laufen halt nicht gehe, „dass ich das, was ich am liebsten tue, nicht machen darf“. Was sie Klosterhal­fen zu verstehen gab: „Ich wusste, dass Aquajoggin­g funktionie­rt. Wenn man das durchzieht, dann läuft die Sache.“Bei Reh lief es in Berlin. Das kann Klosterhal­fen Mut machen.

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FOTO: IMAGO Deutsche Meistersch­aften 2017: In Erfurt siegt Konstanze Klosterhal­fen im 5000-Meter-Rennen und strahlt im Ziel.

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