Rheinische Post Opladen

Und ewig schnattert die Ente

- VON THOMAS GEIGER

Die legendäre Ente feiert 70. Geburtstag. In den Sechzigern gebaut als einfaches Auto für einfache Leute, steht der Citroën 2CV bei Sammlern heute hoch im Kurs.

Was dem Deutschen der VW Käfer und dem Italiener der Fiat 500, das ist dem Franzosen der Citroën 2CV. Denn mehr noch als der Renault R4 steht der als Ente bekannt gewordene Kleinwagen für die Massenmobi­lisierung unserer westlichen Nachbarn.

Und dabei hat er nicht nur über den kleinen Preis und die große Stückzahl Bedeutung erlangt oder durch seine einfache, aber deshalb besonders robuste Technik. Sondern mehr als alle anderen Fahrzeuge aus Frankreich steht die Ente für ein ganz spezielles Lebensgefü­hl, sagt Stephan Joest von der Amicale Citroen Internatio­nale (ACI), der Dachorgani­sation aller Citroën-Clubs weltweit.

Denn kaum sinkt man in die dünnen Sesselchen, lässt sich vom butterweic­hen Fahrwerk über die Straße wiegen wie auf einer Hollywood-Schaukel und genießt den Fahrtwind, der durch das Faltdach streift, riecht die Luft nach filterlose­n Gauloises, und am Gaumen kitzelt der Geschmack von Baguette und Bordeaux.

Wer in Zeiten von Zentralver­riegelung, Servolenku­ng und Klimaautom­atik dem 2CV erstmals begegnet, mag es schwer haben: Denn bereits die völlig frei drehenden Türgriffe erfordern eine gewisse Routine oder die Kunst des Kenners, damit sie den Zustieg durch die viel zu kleinen Türen freigeben. Und jede Konservend­ose macht einen stabileren Eindruck. Drinnen lässt man sich in Gummiring-gefeßen derte Auflagen wie bei Gartenstüh­len fallen, die auch heute noch so weich und elastisch sind wie die Federkernm­atratzen in Omas Schlafzimm­er.

Das Armaturenb­rett rund um den Tachoblock von der Größe und Form einer Plastikdos­e fürs Pausenbrot wirkt leer, und so ist das Zündschlos­s schnell gefunden. Nur ein kurzer Dreh genügt, schon beginnt der 0,6 Liter kleine Zweizylind­er-Boxermotor zu schnattern.

Zwischen den Sitzen sucht man vergebens nach einem Schaltknüp­pel, mit dem man den ersten Gang einlegen und losfahren könnte. Stattdesse­n ragt einem aus dem Cockpit eine schwarze Billardkug­el am Stiel entgegen: Den Begriff „Revolversc­haltung“kramt das Gehirn aus der Erinnerung hervor und meldet gleich noch eine zweite Assoziatio­n: „Russisch Roulette“. Doch ganz so riskant ist das ungewohnte Schaltmust­er nicht, so dass die Ente auf Anhieb davonwatsc­helt – mit der gebotenen Ruhe eines alten Mädchens, das mit anfangs 9, dann 12 und 16 und zum Schluss 28 PS nie viel Kraft für die große Eile hatte.

Doch auch wenn das Archiv nur eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 116 km/h für die Modelle der letzten Baujahre ausweist und man für den Sprint auf Tempo 100 mehr Zeit braucht als zum Leeren einer gro-

Die Ente ist auch als Oldtimer, was sie als Neuwagen war: ein bezahlbare­s und verlässlic­hes Auto

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FOTO: CITROËN Flottes Fahrzeug: Die Ente stand früher unter anderem bei Nonkonform­isten und jungen Leuten wie Studenten hoch im Kurs.
 ?? FOTO: CITROËN ?? Eckpfeiler der Enten-Tugenden: reduziert, robust, aber agil, komfortabe­l und preiswert.
FOTO: CITROËN Eckpfeiler der Enten-Tugenden: reduziert, robust, aber agil, komfortabe­l und preiswert.

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