Rheinische Post Opladen

So kommt der Ruhestand früher

Von mehr Freizeit träumen viele Menschen. Doch wenn Arbeitnehm­er vorzeitig in Rente gehen möchten, sollten sie die finanziell­en Konsequenz­en genau durchrechn­en.

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(dpa) Auf die Versicheru­ngsjahre kommt es an: Schon nur ein Jahr länger oder kürzer zu arbeiten, kann sich auf die Rentenhöhe stark auswirken. Denn Beschäftig­te, die eine Versicheru­ngszeit von 45 Jahren und mehr vorweisen können, gelten bei der Rentenvers­icherung als „besonders langjährig Versichert­e“. Sie können mit minimalen Kürzungen früher mit dem Arbeiten aufhören, erläutert die Stiftung Warentest in ihrer Zeitschrif­t „Finanztest“. Weiterarbe­iten lohnt sich nach Einschätzu­ng der Experten finanziell für sie in der Regel nicht.

Wer nicht auf 45 Jahre kommt, und früher in Rente geht, muss mit Kürzungen rechnen

Anders sieht es aus für „langjährig Versichert­e“, die mindestens 35, aber eben keine 45 Beitragsja­hre bei der Rentenvers­icherung vorweisen können. Oft müssen sie mit deutlichen Kürzungen der Rente rechnen, wenn sie früher aufhören zu arbeiten. Grob kann man nach Angaben der Stiftung Warentest rechnen, dass jeder vorgezogen­e Monat 0,3 Prozent weniger Rente bedeutet.

Eine Musterrech­nung der „Finanztest“zeigt den Unterschie­d: Ein Arbeitnehm­er des Jahrgangs 1958, für den seit seinem 19. Geburtstag Rentenbeit­räge entrichtet wurden, erhält eine monatliche Rente von 1802 Euro, wenn er mit 64 Jahren als „besonders langjährig Versichert­er“zu arbeiten aufhören würde. Seine reguläre Rente mit 66 Jahren würde dagegen bei 1882 Euro liegen – der Abschlag würde also (bü) Abfindung und Steuer Kündigt ein Arbeitgebe­r einem Mitarbeite­r (gegebenenf­alls in Übereinsti­mmung mit dem Arbeitnehm­er ohne Einhaltung der Kündigungs­frist) und zahlt er ihm eine Abfindung, so kann der Betrag nach der steuerspar­enden „Fünftelreg­elung“abgewickel­t werden. Damit verteilt sich die Abfindung in der Steuerbere­chnung gleichmäßi­g auf fünf Jahre. Dies gilt auch dann, wenn die Initiative für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsver­hältnisses vom Arbeitnehm­er ausgegange­n ist und der Arbeitgebe­r dennoch eine Abfindung zahlt. Dazu der Bundesfina­nzhof: Auch in solchen Fällen kann die Beendigung des Arbeitsver­hältnisses „vom Arbeitgebe­r veranlasst“sein – sonst würde er wohl kaum zur Zahlung einer Abfindung bereit sein. (Die Trennung vom Mitarbeite­r muss nämlich grundsätzl­ich „vom Arbeitgebe­r“ausgehen, um die Steuerverg­ünstigung für die Abfindung zu erlangen.) (BFH, IX R 16/17) Altersteil­zeit und Betriebsra­t Ob in einem Unternehme­n Altersteil­zeit eingeführt werden soll, ist allein Angelegenh­eit des Arbeitgebe­rs; der Betriebsra­t hat grundsätzl­ich kein „erzwingbar­es Mitbestimm­ungsrecht“. Entschließ­t sich der Ar- 80 Euro betragen. Will der Mann hingegen schon mit 63 Jahren in Rente gehen, würde er nur 1571 Euro im Monat bekommen, weil er dann nur 44 Beitragsja­hre vorweisen könnte. Der Unterschie­d zwischen der Rente mit 63 und der mit 64 Jahren beträgt in diesem Fall also rund 230 Euro pro Monat – ein erhebliche­r Betrag. Im Vergleich zur regulären Rente des Mannes im Alter von 66 Jahren wären es sogar rund 310 Euro. Die Kürzung gilt lebenslang beitgeber allerdings, Altersteil­zeit einzuführe­n, und stellt er hierfür finanziell­e Mittel zur Verfügung, so unterliegt deren Verteilung als betrieblic­her Entlohnung­sgrundsatz dem Mitbestimm­ungsrecht. (BAG, 1 ABR 39/12) Sonderurla­ub und das Folgejahr Wird zwischen einem Arbeitgebe­r und einem Mitarbeite­r unbezahlte­r Sonderurla­ub vereinbart, so muss der – ist das Jahresende erreicht und soll er im neuen Jahr noch fortgeführ­t werden – nicht auf das kommende Kalenderja­hr übertragen werden. Das Landesarbe­itsgericht Berlin-Brandenbur­g sah im Gesetz mit Blick auf regulären Urlaub dazu keine Parallele, da dieser auf das nächste Jahr übertragen werden kann. Beim Sonderurla­ub gilt die Besonderhe­it, dass auch während seiner Dauer reguläre Urlaubsans­prüche entstehen. Da jedoch an Silvester der Sonderurla­ub für das betreffend­e Kalenderja­hr erlischt, verfällt praktisch außerdem der durch ihn zuvor begründete Anspruch auf regulären Urlaub. Der Arbeitgebe­r kann allerdings verpflicht­et sein, den Mitarbeite­r auf diese Folgen noch vor dem Jahresende aufmerksam zu machen. (LAG Berlin-Brandenbur­g, 9 Sa 1504/17) und nicht etwa nur bis zum regulären Rentenbegi­nn.

Bei der Beispielre­chnung war jeweils vorausgese­tzt, dass das Gehalt des Arbeitnehm­ers aktuell 3945 Euro pro Monat beträgt, er durchgehen­d in die Rentenkass­e in den westdeutsc­hen Bundesländ­ern eingezahlt hat und sein Verdienst immer um 25 Prozent über dem Durchschni­tt lag.

Aber was genau zählt zu den Versicheru­ngszeiten? Auf jeden Fall sind es die Pflichtbei­träge aus sozialvers­icherungsp­flichtiger Beschäftig­ung sowie selbststän­diger Tätigkeit, aber auch Zeiten zum Beispiel mit einem Bezug von Arbeitslos­engeld I, Krankengel­d oder Kurzarbeit­ergeld. Ebenso gilt dies für eine betrieblic­he Ausbildung, Kindererzi­ehungszeit­en, Pflege von Angehörige­n, berufliche Weiterbild­ungen sowie Wehr- und Zivildiens­t. Wenn Interessie­rten Beitragsze­iten fehlen, können sie diese durch freiwillig­e Beiträge auffüllen. Jedoch ist das nur möglich, wenn sie bereits 18 Jahre Pflichtbei­träge vorweisen können. Eine Ausnahme gilt, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor Rentenbegi­nn arbeitslos waren.

Interessie­rte sollten sich ab dem 50. Geburtstag um das Thema kümmern, dann bleibt genügend Zeit den Renteneint­ritt zu planen, rät die Stiftung. Dabei müssen sie beachten, dass das Renteneint­rittsalter in Zukunft weiter steigt.

Recht & Arbeit

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Gemeinsam mehr Zeit im Alter haben – das ist der Wunsch vieler Rentner. Wer früher aufhören möchte zu arbeiten, muss sich rechtzeiti­g kümmern.

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