Rheinische Post Opladen

Erdogan droht den USA mit Ende der Partnersch­aft

- VON GERD HÖHLER

ANKARA Mit Spannung und Nervosität erwarten Politiker, Wirtschaft­sführer und Marktbeoba­chter in der Türkei den Beginn der neuen Handelswoc­he. Nach dem dramatisch­en Absturz der Lira vergangene Woche, als die türkische Währung fast ein Fünftel ihres Außenwerts verlor, rechnen manche Analysten mit einer Erholung. Mehr als eine technische Reaktion wäre das aber wohl nicht. Die Türkei droht in eine Finanzkris­e abzurutsch­en. Und Staatschef Recep Tayyip Erdogan gießt auch noch Öl ins Feuer.

In einem am Wochenende veröffentl­ichten Gastbeitra­g für die „New York Times“wirft Erdogan den USA „Respektlos­igkeit“vor und droht Washington mit einem Ende der Partnersch­aft. Hintergrun­d ist der Streit über den in der Türkei wegen angebliche­r Terrorvorw­ürfe festgehalt­enen amerikanis­chen Pastor Andrew Brunson und das Tauziehen um den in Pennsylvan­ia lebenden Exil-Prediger Fethullah Gülen, den Erdogan als Drahtziehe­r des Putschvers­uchs vom Juli 2016 sieht. Ankara bemüht sich bisher vergeblich um Gülens Auslieferu­ng.

Die USA hätten es „wiederholt und anhaltend versäumt, die Besorgniss­e der türkischen Bevölkerun­g zu verstehen und zu respektier­en“, schrieb Erdogan. Wenn es dabei bleibe, werde sich die Türkei „auf die Suche nach neuen Freunden und Verbündete­n machen“, so der türkische Präsident. Wen er damit meint, ist kein Geheimnis: Bereits am Freitag hatte Erdogan mit dem russischen Präsidente­n Putin telefonier­t. Heute wird Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow in Ankara erwartet.

Die Lira steht seit Wochen unter Abwertungs­druck. Seit Jahresbegi­nn hat sie bereits 70 Prozent verloren. Dahinter stehen Besorgniss­e um die Unabhängig­keit der Zentralban­k und Erdogans wachsenden Einfluss auf die Geldpoliti­k, die Furcht vor einer drohenden Bankenkris­e und die zunehmende­n Spannungen mit den USA. Nachdem US-Präsident Donald Trump eine Verdoppelu­ng der Einfuhrzöl­le auf Stahl und Aluminium aus der Türkei gekündigt hatte, brachen alle Dämme. Zeitweilig stieg der Dollar um fast 23 Prozent auf 6,80 Lira – der größte Kurssprung seit der schweren türkischen Finanzkris­e von 2001.

Die Blicke richten sich auf die Zentralban­k in Ankara. Sie könnte versuchen, die Abwertung der Lira mit einer kräftigen Erhöhung des Leitzinses zu bremsen. Dagegen sträubt sich aber Erdogan bisher. Er setzt auf niedrige Zinsen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.

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