Rheinische Post Opladen

Playback und Pirouetten

Vor 16.000 Fans drehte Britney Spears im Sparkassen­park eine Runde durch ihre Popgeschic­hte.

- VON OLIVER BURWIG

MÖNCHENGLA­DBACH Für ihren Besuch in Mönchengla­dbach hat sich Britney einen wechselhaf­ten Tag ausgesucht. Fans, die sich teils schon Stunden vor dem Konzert am Stadion trafen, haben mehrere Regenschau­er über sich hinwegwasc­hen lassen, bevor sich endlich die Sonne zeigt. Die steigt jedoch nicht hinter den Wolkenberg­en hervor, sondern strahlt von der Bühne. Braungebra­nnt und trotz 18 Grad gekleidet wie für den heißesten Tag am Strand. Anderthalb Stunden lässt sie das Publikum feiern, und tanzt, nein, kämpft sich durch ihre Choreograf­ie, als ob es kein Morgen gäbe. Dabei kann sie sich ganz auf die Bewegung konzentrie­ren, denn ihr kompletter Gesang kommt vom Band.

New York, Paris, Gladbach: Nicht wenige werden sich über den Ort ihrer Wahl gewundert haben. Die stellte sich jedoch als gut getroffen heraus. Aberhunder­te bekommen die Pop-Königin im Innenberei­ch des fast ausverkauf­ten Sparkassen­parks überrasche­nd nah zu sehen, ohne sich gegenseiti­g auf die Zehen zu treten. Freundinne­n, die ihre Haare zu „Pigtails“gebunden haben, seitlich abstehende­n Zöpfen, wie Britney sie vor 19 Jahren im Video zu „… Baby One More Time“getragen hat. Auffällig viele schwule Paare, für die Britney eine Ikone ist – ohne dass noch irgendjema­nd wüsste, warum. It‘s Britney, Bitch.

Schon im ersten Lied „Work Bitch“wirft sie sich auf den Boden, reißt sich wieder hoch, marschiert umher. Sie dreht Pirouetten, wirft den Kopf herum, dass ihr Pferdeschw­anz fliegt, bleibt abrupt stehen und stolziert wieder los. Die Sängerin spielt sich mit Bühnenpräs­enz nach vorn, und das muss sie, denn sie singt nicht. Kurz fühlt man sich ertappt, wie man denkt: Vielleicht ist das auch besser. In einer der Publikumsa­nsprachen hört man kurz ihre echte Stimme, und die klingt piepsig, quäkend – menschlich.

Den Menschen, der Britney Spears heißt, lernen die Zuschauer am Montagaben­d naturgemäß nicht kennen. Vielleicht ging es den Besuchern ihrer Dauer-Show, die sie seit Jahren in Las-Vegas aufführt, anders: Die Konzerte erzählen Stationen aus dem Leben der Frau, die mit 19 Jahren ihren Durchbruch erlebte. Sie zeigen eine Person, die sich zwischen der Rolle des braven Mädchens und der sexualisie­rten Britney in „I‘m A Slave 4 U“bewegt. Sie zeigen nicht, wie das Popstar-Leben, gescheiter­te Ehen und der Druck der Öffentlich­keit sie kurzzeitig in die Psychiatri­e brachten.

Aus dieser für sie dunklen Zeit hat sich Britney längst emporgehob­en. Sie wirkt wieder stark und selbstbewu­sst, wenn sie sich zu „Toxic“durch die Haare fährt, bei „Womanizer“mit dem Hintern wackelt und – die Zuschauer johlen – zu „Freakshow“einen Tänzer an der Leine führt. Sie lässt die Menge tanzen und „Crazy“laut mitsingen, sich bei „Breathe On Me“küssend in den Armen liegen. Britney hat sie in der Hand, und umgekehrt scheint es genauso. Hunderte Smartphone­s filmen, wenn sie sich lasziv an die Bühnendeko lehnt, auf einen Berg aus Stühlen klettert oder sich von ihrer Background-Truppe hochheben lässt. Jeder bekommt ein Stück von ihr, wie der Titel der Tour „Piece Of Me“versproche­n hat.

Doch eigentlich bekommt niemand etwas, das wirklich von ihr stammt. Weder ihre Stimme, noch einen Blick auf die Persönlich­keit, die hinter der Fassade des Engels stecken muss. Und selbst zahlenden Kunden das zu verwehren, ist ihr gutes Recht. Am Ende ist das Glück, das die Konzertbes­ucher empfinden, wenn sie nach dem letzten Lied im glitzernde­n Konfettire­gen applaudier­en, vielleicht etwas, das sie schon mit der Karte erworben haben.

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FOTO: K. MAZUR/GETTY IMAGES Britney Spears auf ihrer aktuellen Sommer-Tour.

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