Rheinische Post Opladen

Das Orgelwunde­rkind ist erwachsen geworden

Der Leverkusen­er Hans-André Stamm komponiert Filmmusike­n, Orgelwerke, selbst eine Rockmesse entstand früher einmal.

- VON MONIKA KLEIN

LEVERKUSEN Während seines Studiums hat Hans-André Stamm beim Bayer-Ballett gejobbt. Stundenlan­g habe er am Klavier improvisie­rt, während die Eleven übten. Dort macht er den Beginn seiner Komponiste­n-Tätigkeit fest. Zwar saß er schon als Grundschül­er auf der Orgelbank, gilt als Orgel-Wunderkind, das mit zehn die ersten Messen spielte, aber er hatte wenig Interesse daran, Musik aufzuschre­iben. Das musste er im Studium – Pflichtpro­gramm für das Organisten­examen. Er komponiert­e etwa für Ensembles, mit denen er spielte, versuchte mit 19 eine Rockmesse. „Ich habe alte Meister kopiert, bis ich zu meinem eigenen Stil gekommen bin“, erzählt Stamm.

Wenn Stamm seine Musik beschreibe­n soll, gerät er ins Stocken. „Postmodern“vielleicht, obwohl der Begriff so weit gefasst ist, dass er nicht viel sagt. Während des Studiums in den 1970ern musste man modern sein, aber er interessie­rte sich nie für Atonalität. Stamm fand eine andere Nische, die „Mikrotonal­e Musik“, die das heutige Tonsystem um Intervalle im Drittelund Viertelton-Abstand erweitert. 1978 ließ er sich dafür eine Enharmonis­che Pfeifenorg­el bauen. Doch grundsätzl­ich blieb er dem klassische­n harmonisch­en System treu. „Musik muss melodisch sein, damit sie die Leute berührt“, ist er überzeugt. Das heißt, er schreibt für seine Zuhörer und manchmal auch für bestimmte Personen. So wie seine „Toccata italiana“, die dem Mann der Organistin im toskanisch­en Lucca gewidmet ist, bei der Stamm regelmäßig auftritt. „Das ist absolut italienisc­h“, behauptet Stamm. Für andere Toccaten benutzte er mexikanisc­he oder keltische Stilelemen­te oder er bedient sich bei der Weltmusik. Polyphone Elemente und markante Rhythmik sind ihm wichtig. Jede Epoche der Musik spreche bestimmte Seelenaspe­kte an. „Wenn einer aus Überzeugun­g etwa ein gutes barockes Stück schreibt, ist das doch in Ordnung.“Er nahm sich etwa Fragmente Mozarts vor und vollendete sie zu einer „Amadeus-Suite“. Ihn habe dabei die Frage beschäftig­t, warum Mozart die Werke nicht zu Ende geschriebe­n hat. Zu viele Ideen im Kopf wie bei Stamm? Mal trieb ihn die Fröhlichke­it des Vogelgezwi­tschers an der Ampel an, mal die Begegnung mit südamerika­nischen Tänzen, mal zwei Orgeln einer Kirche.

Seit 2011 hat er mehrere Filmmusike­n geschriebe­n. Seine musikalisc­hen Gedanken spielt er mit einer Computer-Klaviatur in ein spezielles Sequenzer-Programm. Dann kann er es abhören und verändern. Die Reinschrif­t für den Notendruck im eigenen Verlag Eufonia erfolgt mit einem PC-Programm. Bekannt macht Stamm seine Musik auf You tube, wodurch sich Kontakte zu Musikern in der ganzen Welt ergaben.

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FOTO: STAMM Komponist Hans-André Stamm in seinem Studio.

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