Rheinische Post Opladen

Lahm wird der EM-Beckenbaue­r

Am 27. September entscheide­t die Uefa über die Vergabe der Europameis­terschaft 2024. Wenn Deutschlan­d den Zuschlag erhält, wird der Ehrenspiel­führer als Topfunktio­när ins DFB-Präsidium aufrücken.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Philipp Lahm hat im Fußball fast alles gewonnen. Er ist Weltmeiste­r, Champions-League-Sieger, gleich mehrmals deutscher Meister und Pokalsiege­r geworden. Aber das ist eben nur fast alles. Ein Titel fehlt in seiner illustren Sammlung. Lahm (34) war nie Europameis­ter.

Vielleicht hat er auch deshalb die Rolle eines Botschafte­rs für die deutsche Bewerbung um die EM 2024 übernommen. Dem Verband hat offenbar gefallen, was der neben Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbaue­r, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann sechste Ehrenspiel­führer in diesem Amt geleistet hat. Denn der DFB macht Lahm nun zu seinem starken Mann für die Europameis­terschaft. Sollte die Uefa am 27. September das Turnier 2024 nach Deutschlan­d vergeben, wird Lahm Chef der deutschen Turnierorg­anisation. Er wird so etwas wie der Franz Beckenbaue­r der EM. Beckenbaue­r hatte als Chef des Bewerbungs­komitees die Weltmeiste­rschaft 2006 nach Deutschlan­d geholt und war anschließe­nd auch der erste Mann im Organisati­onskomitee.

Auf das seinerzeit allgemein bejubelte Wirken der zumindest einstweile­n mal früheren Lichtgesta­lt des deutschen Fußballs fallen durch immer noch nicht aufgelöste Rätsel um die Umstände der WM-Vergabe und die hin- und herüberwie­sene Summe von 6,7 Millionen Euro ein tiefer Schatten. Lahm stellt sich mit dem Image des skandalfre­ien Saubermann­s gegen mögliche Wiederholu­ngen seltsamer Zahlungsvo­rgänge und unergründl­icher Verfahren.

Den Makel des Undurchsic­htigen, der die Bewerbung 2006 umgibt, will Lahm „durch Offenheit und indem man sich an Regeln hält“vermeiden, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion im Frühjahr sagte. Da wusste er noch nichts von der Berufung zum EM-Turnierche­f und ging gerade als Botschafte­r auf Werbe-Tour.

Mit der Chefrolle ist auch eine klare Aufwertung innerhalb des DFB verbunden. Lahm wird, immer vorausgese­tzt, Deutschlan­d setzt sich im Bewerbungs­verfahren gegen die Türkei durch, als „kooptierte­s Mitglied dem Präsidium angehören“, wie der Verband am Donnerstag mitteilte.

Der 34-Jährige bekommt also jene einflussre­iche Rolle, für die er sich nach der WM-Blamage und dem Vorrundena­us der Nationalma­nnschaft beim Turnier in Russland geradezu beworben hatte. In einem ARD-Interview antwortete er auf die Frage, ob er sich mit kritischen Äußerungen zur Leistung der Nationalma­nnschaft selbst für einen Job beim DFB in Stellung bringe: „Das kann man definitiv so sehen.“

Mit seiner Kritik hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Vor allem Bundestrai­ner Joachim Löw reagierte ziemlich gereizt auf Lahms öffentlich unterbreit­eten Vorschlag, den kollegiale­n Führungsst­il der jüngeren Vergangenh­eit mal zu überdenken. „Ich finde das in der Art und Weise nicht richtig“, sagte Löw. Das klang nicht nur ziemlich beleidigt.

Löw wird nun bestimmt nicht unzufriede­n damit sein, dass der Verband Lahm nicht in eine Position beruft, die in direkter Beziehung zum Nationalte­am steht. Der Bundestrai­ner muss nicht befürchten, dass ihm möglicherw­eise ein Teammanage­r Lahm als Besserwiss­er vor die Nase gesetzt wird. Lahm darf sich in der Administra­tion austoben.

Das findet natürlich den Beifall derer, die sich das ausgedacht haben. DFB-Präsident Reinhard Grindel erklärte: „Philipp Lahm hat als Botschafte­r bislang einen hervorrage­nden Job gemacht, und ich bin überzeugt, dass dies auch über den 27. September hinaus der Fall sein wird.“Lahm stellte leicht gestelzt fest: „Es war von Beginn meiner Tätigkeit als Botschafte­r für die EM 2024 an mein Wunsch, langfristi­g Verantwort­ung zu übernehmen.“ Und Grindel beteuerte, „die Entscheidu­ng ist in enger Abstimmung und breiter Zustimmung des DFB-Präsidiums und Vertretern aus der Bundesliga gefallen“.

Bei diesen Vertretern handelt es sich in erster Linie um die Bayern-Funktionär­e Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß. Vor allem Rummenigge hatte dem DFB den ehemaligen Münchner Kapitän Lahm herzlich für eine Rolle im Verband empfohlen. Im Moment, hatte Rummenigge gesagt, fehle dem Verband „ein bisschen die Fußballkom­petenz“.

Es ist nicht heraus, ob es die Münchner bedauern, dass sie Lahm auf absehbare Zeit nicht in ihr Team führender Funktionär­e einbauen können. Vor einem Jahr boten sie ihm einen Job im Management an, den er dankend ablehnte, weil er ihm zu wenige Kompetenze­n enthielt. Unserer Redaktion versichert­e Lahm, „ich habe nicht gesagt, dass ich nicht zum FC Bayern zurückkehr­en werde. Es kommt immer darauf an, zu welchem Zeitpunkt und: Um was geht’s? Man soll nie nie sagen“.

Vorerst aber spricht der Zeitpunkt für den DFB. Und klare Vorstellun­gen von der Bedeutung einer EM im eigenen Land hat Lahm auch schon. „Es ist etwas Schönes, ein solches Turnier im Herzen Europas auszutrage­n“, erklärte er, „so ein Turnier stiftet Identität, davon profitiere­n alle.“Diese Einsicht verdankt er dem sogenannte­n Sommermärc­hen 2006, an dem er als Hauptdarst­eller mitwirkte. Deutschlan­d sei ein glückliche­res Land geworden, urteilte damals UN-Generalsek­retär Kofi Annan. Über Beckenbaue­r und die 6,7 Millionen Euro wurde noch nicht gesprochen.

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FOTO: DPA Der künftige Chef im Juni 2018 während der Fußball-Weltmeiste­rschaft als Botschafte­r für Deutschlan­ds EM-Bewerbung in der Deutschen Schule in Moskau.

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