Die kleinen Zeichen der großen Politik
Die Broschen der Queen, die Flagge auf Schloss Bellevue: Manchmal sind politische Botschaften gut versteckt. Ein Blick in die Geschichte.
BERLIN Respektlos war das Wort, das Kenner der britischen Hofsitten für den Besuch von US-Präsident Donald Trump verwendeten. Wie er die Queen warten ließ, wie er sich ihr in den Weg stellte, wie er dann nicht ihr den Vortritt ließ. Doch Elisabeth II. könnte mit versteckten Signalen kundgetan haben, was sie von Trump wirklich hält. Solche kleinen Zeichen in der großen Politik haben eine lange Tradition.
Um einen kleinen symbolischen Vortritt ging es schon 357 Jahre zuvor, ebenfalls in London. Der französische und der spanische Botschafter stritten, wessen Kutsche als erstes starten dürfe. Keiner der Diplomaten wollte nach dem Ende des französisch-spanischen Krieges nachgeben, und so kam es zu einem blutigen Handgemenge mit mehreren Toten, das fast einen weiteren Krieg ausgelöst hätte. Der französische König verlangte von seinem spanischen Pendant eine Entschuldigung und die Einwilligung, künftig den Franzosen den Vortritt zu lassen und drohte mit einem neuen Waffengang. Der spanische Thron gab 1661 nach. Vor der Geschichte hatte diese Rangfolge der Monarchien keinen Bestand: Mit den Königen war es in Frankreich 1792 vorbei, das Königreich Spanien besteht immer noch.
Relativ respektlos geht die Berliner Schnauze mit einem kleinen Zeichen für große Politik um – der Flagge auf Schloss Bellevue, dem Sitz des Staatsoberhaupts. Seinerzeit erklärte Bundespräsident Johannes Rau das Signal auf dem Dach seinen Besuchern: „Die Leute sagen hier in Berlin, wenn der Lappen draußen ist, sind die Lumpen drin.“Höflicher formuliert: Ist der Bundespräsident auf Reisen oder in seinem Bonner Amtssitz, wird in Berlin die Fahne auf dem Dach des Schlosses eingeholt.
Manche kleinen Gesten entwickeln sich zu großer Bedeutung. So am 7. Dezember 1970, als Bundeskanzler Willy Brandt sich zu einem Kniefall am Denkmal für die Opfer des Warschauer Ghettos entschloss. Es gab sofort ein Durcheinander bei den Fotografen, was darauf schließen lässt, dass Brandt sich spontan zu dieser Form der symbolischen Verneigung Deutschlands entschloss.
Ähnlich Spontanes ereignete sich am 22. September 1984 auf dem Gedenkfriedhof von Verdun, als der Helmut Kohl und Frankreichs Präsident Francois Mitterrand nur nebeneinander stehen und dem Trompetenspiel im Angedenken an 700.000 Gefallene zuhören wollten. Mitterrand reichte Kohl die Hand, der sie sofort ergriff. Wie die beiden Spitzen der Länder dann Hand in Hand über den Gräbern Johannes Rau Früherer Bundespräsident standen, wurde zu einer Bildikone der deutsch-französischen Aussöhnung.
Dagegen sind Abzeichen und Broschen zumeist schwerer zu lesen. Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel konnte sich jedoch gewiss sein, dass die Fotografen mit ihren Teleobjektiven die Aussage lesbar machen würden, als er im September 2015 einen Button mit den Worten „Wir helfen“auf der Regierungsbank im Bundestag trug und sich damit in die sogenannte Willkommenskultur der Flüchtlingsdynamik einsortierte.
Die Broschen der Queen sind jedoch Liebhabern und Experten zur Deutung überlassen. Elisabeth II. dürfte niemals offiziell bestätigen, dass sie unmittelbar vor der Begegnung mit Trump als Signal sich ausgerechnet für eine Brosche entschied, die ihr Trumps Vorgänger Barack Obama und seine Frau Michelle geschenkt hatten. Ähnliches gilt für die Annahme, dass die Queen beim eigentlichen Zusammentreffen mit Trump Anlass für ein trauriges Signal sah, indem sie die Brosche angelegt haben soll, die ihre Mutter beim Begräbnis ihres Mannes trug. Eine Twitter-Nutzerin will zudem herausgefunden haben, dass am dritten Besuchstag von Trump Elisabeth II. die Symbolkette fortsetzte, indem sie eine Brosche wählte, die ein Geschenk aus Kanada gewesen sein soll – als modische Kommentierung dessen, was sie von Trumps Ausfällen gegen Kanadas Regierungschef Justin Trudeau hält.
„Ist der Lappen draußen, sind die Lumpen drin“