Rheinische Post Opladen

Reul bedauert Richter-Kritik, Merkel rügt ihn

Der NRW-Innenminis­ter räumt ein, seine Äußerungen zum Rechtsstaa­t seien missverstä­ndlich gewesen.

- VON HENNING RASCHE

DÜSSELDORF Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat sich vom nordrhein-westfälisc­hen Innenminis­ter Herbert Reul (beide CDU) wegen dessen Äußerungen im Fall Sami A. distanzier­t. Sie sagte, Entscheidu­ngen von unabhängig­en Gerichten seien zu akzeptiere­n und müssten umgesetzt werden. Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) äußerte sich ähnlich. Wenn ein Landesinne­nminister die Richter auffordere, ihre Entscheidu­ngen am Rechtsempf­inden der Bevölkerun­g zu orientiere­n, offenbare dies ein „befremdlic­hes Verständni­s von Rechtsstaa­tlichkeit“, sagte Barley dem „Tagesspieg­el“.

Reul selbst bedauerte am Freitag seine Äußerungen. Er habe zu Beginn seiner Äußerungen deutlich gemacht, dass die Unabhängig­keit von Gerichten ein hohes Gut sei. Das bedeute für ihn, dass Richter nach Recht und Gesetz entscheide­n müssten. „Mir ist inzwischen klar geworden, dass meine Erklärung in dieser Hinsicht missversta­nden werden konnte. Das bedaure ich“, teilte der NRW-Innenminis­ter mit.

Nach der Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­hts (OVG) Münster am Mittwoch, wonach der tunesische Gefährder Sami A. nach Deutschlan­d zurückgeho­lt werden muss, hatte Reul das Gericht scharf kritisiert. Richter sollten immer auch im Blick haben, „dass ihre Entscheidu­ngen dem Rechtsempf­inden der Bevölkerun­g entspreche­n“. Er bezweifle, dass dies hier der Fall sei. Der Vorsitzend­e des Deutschen Richterbun­des, Jens Gnisa, warf ihm daraufhin einen Angriff auf die Unabhängig­keit der Justiz vor.

SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty sprach am Freitag von einer „Verfassung­skrise“in NRW. Die SPD werde eine Sondersitz­ung des Rechtsauss­chusses beantragen. „Dort setzen wir Justizmini­ster Peter Biesenbach auf die Anklageban­k“, sagte Kutschaty. Dieser müsse erklären, wie er die Justiz vor den Angriffen Reuls und des Integratio­nsminister­s Joachim Stamp (FDP) schützen wolle.

Serap Güler (CDU), Staatssekr­etärin in Stamps Ministeriu­m, rechtferti­gte Thomas Kutschaty SPD-Fraktionsc­hef unterdesse­n die rechtswidr­ige Abschiebun­g von Sami A. „Wir haben den kurzen zeitlichen Rahmen für die Abschiebun­g von Sami A. genutzt, um Schaden vom Land abzuwenden“, sagte Güler unserer Redaktion. Das Ministeriu­m hatte die Ausländerb­ehörde in Bochum angewiesen, dem Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen das Datum der Abschiebun­g nicht mitzuteile­n. A. wurde daher nach Tunesien geflogen, während der entgegenst­ehende Beschluss des Gerichts die Behörden erreichte. Diesen Vorgang hatte das OVG als „evident rechtswidr­ig“bezeichnet.

Sami A. ist kein Einzelfall. Die Länder haben in diesem Jahr bereits fünf Ausländer zu Unrecht abgeschobe­n, wie das Bundesinne­nministeri­um bekannt gab. Politik

„Wir setzen Justizmini­ster Biesenbach auf die Anklageban­k“

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