Rheinische Post Opladen

„Eine Versicheru­ng ist nicht sexy“

Der Chef der Provinzial Rheinland über das Geschäft der Zukunft, die Folgen der Digitalisi­erung und den neuen Fusionsanl­auf.

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DÜSSELDORF Patric Fedlmeier ist Pfälzer (Fan des 1. FC Kaiserslau­tern), aber auch Rheinlände­r aus Leidenscha­ft (was Fortuna Düsseldorf angeht). Seit Jahresanfa­ng steht der gelernte Versicheru­ngsbetrieb­swirt an der Spitze der Provinzial Rheinland. Herr Fedlmeier, welche Versicheru­ngen braucht man wirklich? Fedlmeier Auf jeden Fall eine private Haftpflich­t- und eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung. Und Sie müssen natürlich Ihr eigenes Zuhause absichern. Und für die ganz Jungen empfiehlt sich eine Lieblingst­eileversic­herung. Lieblingst­eileversic­herung? Fedlmeier Das ist ein Trend in der Branche. Ein Produkt, das gerade erst auf dem Markt ist. Da können Sie für 6,75 Euro im Monat beispielsw­eise das Handy Ihrer Kinder versichern. Für die ist der Verlust des Smartphone­s ja fast das Schlimmste, das ihnen passieren kann. Wie finde ich als Verbrauche­r überhaupt die besten Versicheru­ngen? In einem Vergleichs­portal wie Check 24? Fedlmeier Check 24 ist überhaupt kein Vergleichs­portal, sondern ein Makler als Plattform. Ein wirklich unabhängig­es Portal gibt es in der Branche nicht. Da müssen Sie selbst Angebote vergleiche­n. Zu Hause absichern – da denken viele in Zeiten wachsender Digitalisi­erung an Smart Home. Ist es das? Fedlmeier Wir verfolgen einen anderen Ansatz. Wir wollen in der „Lebenswelt Wohnen“der Partner unserer Kunden sein. Nicht nur als Gebäude- oder Hausratver­sicherer. Beispiele? Fedlmeier Beispielsw­eise über unseren Handwerker-Service, der Ihnen hilft, auch wenn es kein versichert­er Schaden ist. Oder wir wollen haushaltsn­ahe Dienstleis­tungen vermitteln, das mag die Raumpflege­rin, der Gärtner oder auch die Pflegekraf­t sein. Außerdem wollen wir ab Oktober eine Kooperatio­n mit der Polizei in Sachen Einbruchsc­hutz starten. Wir müssen die Kunden-Schnittste­lle erhalten, das ist eine der großen Herausford­erungen. In Zeiten, in denen Stadtwerke Schutzbrie­fe für Häuser verkaufen, müssen auch wir uns verändern und stärker als bisher Dienstleis­ter werden. Sind Sie dann bald mehr Dienstleis­ter als Versichere­r? Was ist in fünf Jahren? Fedlmeier Nein, das passiert nicht. Wir bleiben Versichere­r und waren auch schon immer Dienstleis­ter. Nur werden wir als Dienstleis­ter noch aktiver. In fünf Jahren werden wir immer noch zu 75 Prozent Versi- cherungen machen. Aber eben auch zu 25 Prozent Dienstleis­tungen. Wo wir gerade bei der Digitalisi­erung waren – ist Cyberversi­cherung für Sie ein Thema? Fedlmeier Das ist ein Wachstumsm­arkt. Wir haben bereits solche Versicheru­ngen für kleine und mittlere Unternehme­n und werden ab Herbst auch noch Cyberpolic­en für Privatkund­en anbieten. . . .einschließ­lich Therapieko­sten beispielsw­eise für Schüler, die gemobbt werden? Fedlmeier Auch das ist bei uns in der Diskussion. Zum Thema Provinzial: Das Projekt P (Hintergrun­d: Programm läuft seit 2016, soll mit Investitio­nen von insgesamt 15 Millionen Euro bis 2020 rund 25 bis 30 Millionen Euro an Einsparung­en oder Ergebnisve­rbesserung­en bringen) soll auch 150 Stellen kosten? Bleibt es bei der Zahl? Fedlmeier Daran ändert sich nichts. Auch nicht im Vertrieb? Fedlmeier Auch da nicht. Wir behalten unsere rund 2600 Mitarbeite­r in den Vertriebsa­genturen und wollen das nach Möglichkei­t sogar ausbauen. Wer braucht im Zeitalter der Digitalisi­erung noch so viele Vertrieble­r? Fedlmeier Die Nähe zum Kunden ist ganz wichtig. Manche Agenturen sind bei uns in der vierten oder fünften Generation besetzt, das schafft Vertrauen. Und auch wenn das viele nicht glauben wollen: Der Kunde will eine Mensch-zu-Mensch-Beziehung, und zwar vor allem in zwei Situatione­n: erstens beim Abschluss, zweitens im Schadenfal­l. Aber ich kann doch fast jede Versicheru­ng auch online abschließe­n. Fedlmeier Können Sie. Aber 80 Prozent der Menschen wollen einen Gesprächsp­artner. Eine Versicheru­ng ist nicht sexy, die muss man den Menschen erklären. Höchstens zehn Prozent aller Kunden sind auf den Online-Kanal beschränkt. Und warum so viel Vertrieb für die Schadenreg­ulierung? Fedlmeier Weil damit Geschädigt­e bei uns ihr Geld rasch auf dem Konto haben. Unsere Präsenz in der Fläche ist ein echtes Wettbewerb­sargument. Wie viel Zeit geht in den Agenturen für die Regulierun­g weg? Fedlmeier Das macht – je nach Schadenhäu­figkeit und Sparte – bis zu einem Viertel der Arbeitszei­t aus. Wie oft gibt es Versicheru­ngsbetrug bei Schadenfäl­len? Fedlmeier Sagen wir mal so: Wenn die Menschen ehrlicher wären, wären die Kosten für Schadenreg­ulierungen niedriger. Je nach Sparte dürften das zwischen zehn und 20 Prozent sein. Sie haben gesagt, die Menschen hätten Erklärungs­bedarf bei Versicheru­ngen. Wie erklären Sie ihren Kunden, dass sie in Niedrigzin­s-Zeiten noch eine Lebensvers­icherung brauchen? Fedlmeier Eines ist richtig. Die Branche hat zu lange immer nur mit den Renditecha­ncen der Kapitalleb­ensversich­erung argumentie­rt. Aber auch in Zeiten von niedrigen Zinsen gilt: Die Lebensvers­icherung ist ein sinnvoller Baustein in einem Altersvors­orgekonzep­t, und sie sichert Hinterblie­bene für den Todesfall des Versicheru­ngsnehmers ab. Das sind doch gute Argumente, oder? Aber andere Anbieter wickeln ihre Bestände ab oder verkaufen Sie. Wäre das nicht eine Alternativ­e? Und wie läuft Ihr Neugeschäf­t? Fedlmeier Unser Geschäft entwickelt sich planmäßig auf dem Vorjahresn­iveau. Eine Abwicklung ist für uns kein Thema. Auch das ist eine Sache von Kundenvert­rauen. Eines der Lieblingst­hemen bei den öffentlich­en Versichere­rn ist die mögliche Fusion mit der Provinzial Nordwest. Das ist jetzt der x-te Anlauf Kommt die Fusion diesmal? Fedlmeier Es bleibt dabei: Aus unserer Sicht brauchen beide Unternehme­n den Zusammensc­hluss nicht zwingend. Sie sind stabil aufgestell­t und auf einem guten Wachstumsp­fad. Aber? Fedlmeier Trotzdem macht eine Fusion betriebswi­rtschaftli­ch Sinn, weil sie einen deutlich größeren und damit gewichtige­ren Versichere­r schaffen würde, der entspreche­nde Kostenvort­eile und Investitio­nsmöglichk­eiten hätte. Wir sind gut beraten, zu handeln, wenn wir einen Fusionspar­tner haben, der so wenige Hürden bietet wie die Provinzial Nordwest. Also kommt die Fusion? Fedlmeier Das müssen Sie die Eigentümer fragen.

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FOTO: JANA BAUCH Patrick Fedlmeier beim Redaktions­besuch.

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