VW-Mitarbeiter belasten Konzernspitze
Laut Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“haben mehrere Beschuldigte ausgesagt, dass die VW-Spitze frühzeitig über den Betrugsskandal informiert gewesen sei. Die US-Behörden seien wie die Aktionäre trotzdem hingehalten worden.
WOLFSBURG (RP) In der VW-Dieselaffäre geraten Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und der aktuelle Vorstandsvorsitzende Herbert Diess immer stärker in den Blick der Justiz. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“haben vier beschuldigte Techniker und ehemalige Manager bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig Aussagen getätigt, die Winterkorn und Diess belasten könnten. Die Befragten stimmten in ihren Ausagen im Kern überein, dass die VW-Führungsspitze frühzeitig und umfassend über die in den USA eingesetzte Umschaltsoftware in Diesel-Pkw und über drohende Strafzahlungen informiert worden seien, heißt es. Trotzdem seien die US-Behörden später hingehalten worden. Auch eine Information für die Aktionäre habe es nicht gegeben.
Bei ihren Aussagen beziehen sich die Mitarbeiter dem Bericht zufolge auf den sogenannten Schadenstisch am 27. Juli 2015, eine Veranstaltung, die Ex-Chef Winterkorn ins Leben gerufen hatte, um Missstände und Fehler zu besprechen, und an der auch der damalige VW-Vorstand Diess teilnahm. Bei dem Treffen soll auch über wesentliche Aspekte der später als illegal eingestuften Umschaltsoftware, über drohende Schäden, Strafen und Handlungsoptionen in den USA gesprochen worden sein. Es seien auch Folien präsentiert worden, aus denen das Ausmaß des US-Betruges sichtbar geworden sein soll. Ausgeteilte Kopien habe man aus Sicherheitsgründen später wieder eingesammelt. Trotz der eindeutigen Präsentation seien die amerikanischen Behörden im Anschluss wochenlang hingehalten worden, und die Aktionäre habe der Konzern gar nicht über den Betrug und die Konsequenzen informiert.
VW verbreitet eine andere Version. Danach hat es im Anschluss an den Schadenstisch lediglich eine Art informelles Treffen im kleinen Kreis gegeben. Diess und Winterkorn sei nicht der Eindruck vermittelt worden, dass es ein nicht lösbares Problem in den USA gebe. Schon gar nicht, dass es sich um Betrug handeln könne. Diess und Winterkorn äußern sich nicht zu dem laufenden Verfahren. Bei internen Untersuchungen haben sie ausgesagt, sie seien nicht über mögliche Gesetzesverstöße informiert worden. Die Dieselaffäre sei nur das Werk einer Gruppe von Ingenieuren unterhalb der Vorstandsebene gewesen. Gegen diese geht der Konzern nun in aller Härte vor. Nach „Spiegel“-Informationen droht mehreren Beschuldigten die Kündigung – darunter auch jenen, die Diess und Winterkorn belastet haben.
In Sachen Fertigung wil VW den Standort Wolfsburg stärken. Am Stammsitz in Niedersachsen soll die Produktion in den nächsten Jahren auf eine Million Autos wachsen. Dazu werde die Produktion des Absatz-Dauerbrenners Golf mit Einführung der achten Modellgeneration in Wolfsburg gebündelt, sagte Andreas Tostmann, Produktionsund Logistikvorstand der Kernmarke VW Pkw. Die Golf-Fertigung aus Zwickau und dem mexikanischen Puebla werde ins Wolfsburger Stammwerk verlegt. Zwickau bekommt dafür die Fertigung der neuen vollelektrischen ID-Modellfamilie. Bis zum Jahr 2020 solle die Produktivität aller deutschen Standorte um 25 Prozent zulegen, kündigte Tostmann an. Wolfsburgs Oberbürgermeister Klaus Mohrs (SPD) sagte zu der Ankündigung, den Golf künftig ausschließlich in Wolfsburg zu produzieren: „Wolfsburg ist die Hauptstadt von Volkswagen.“
Im vergangenen Jahr hatte VW im Werk Wolfsburg mit mehr als 62.000 Beschäftigten rund 790.000 Autos gebaut. Weltweit lieferte die Marke mit dem VW-Emblem im vergangenen Jahr mehr als 6,2 Millionen Autos aus und beschäftigte dafür etwa 214.000 Mitarbeiter.