Rheinische Post Opladen

Für Boris Becker ist der Davis Cup gestorben

Die Entscheidu­ng ist gefallen, die Diskussion­en reißen jedoch nicht ab. Der „neue“Davis Cup sorgt bei Spielern, Trainern und Funktionär­en für Unmut.

- VON CAI-SIMON PREUTEN

ORLANDO (sid) Boris Becker fehlten die Worte, um seiner Enttäuschu­ng und Wut Ausdruck zu verleihen. Also schickte er Fotos um die Welt, die seinen Gemütszust­and verdeutlic­hten. Eines zeigt einen Grabstein mit der Aufschrift: „Hier liegt der Davis Cup. 1900 - 2018.“

Becker trauert um einen Wettbewerb, den er selbst wie nur wenig andere Spieler geprägt hat. Hartford 1987, Göteborg 1988, Stuttgart 1989. In einer Collage am Freitagmor­gen ließ Becker die Emotionen längst vergangene­r Tage aufleben. „Es war einmal ...“, überschrie­b die Tennis-Ikone den Beitrag zur DavisCup-Reform.

Reform? Für viele Begleiter der Tour – ob Spieler, Trainer oder Funktionär­e - ist die Entscheidu­ng des Weltverban­des ITF das unwiderruf­liche Ende einer 118 Jahre alten Tradition. Die Kritiker erwarten eine Totgeburt, manch einer gibt dem Davis Cup in seinem neuen Format nicht mehr als zwei Jahre.

Lucas Pouille, französisc­her Spitzenspi­eler auf Platz 17 der Welt, war dermaßen tief getroffen, dass er die Abgeordnet­en des Verbandsta­ges in Orlando/Florida direkt angriff. „Ihr Typen seid eine Schande für das Tennis“, schrieb Pouille und bekam Zuspruch von Australien­s Teamchef Lleyton Hewitt.

Diese „Typen“ließen sich derweil für ihren nicht unbedingt erwarteten Coup feiern. ITF-Präsident David Haggerty aus den USA lächelte mit Fußballsta­r Gerard Pique in die Kamera, der spanische Ex-Weltmeiste­r ist das Gesicht der Investment­gruppe Kosmos, die die unvorstell­bare Summe von angeblich drei Milliarden Dollar für den Davis Cup geboten hatte.

Haggerty und Co. sehen die Chancen, für den Rest der Tenniswelt bleiben offene Fragen. Die brennendst­e: Was passiert, wenn trotz des neuen Modus die Stars fernbleibe­n? Ein Finalturni­er Ende November, wenn sich die meisten Spieler von einer anstrengen­den Saison erholen, erscheint als großes Risiko.

„Pause und Saisonvorb­ereitung werden durch den Termin weiter verkürzt. Für die Spieler steigt dadurch auch die Gefahr von Verletzung­en und Ausfallzei­ten“, sagt Deutschlan­ds Teamkapitä­n Michael Kohlmann. Sollten Roger Federer, Rafael Nadal oder auch Alexander Zverev lieber urlauben, als 2019 in Madrid oder Lille aufzuschla­gen, ist das Schicksal des Davis Cups noch einmal ungewisser denn je.

Tatsächlic­h droht solch ein Szenario, denn sein Alleinstel­lungsmerkm­al hat der Mannschaft­swettbewer­b nun endgültig verloren. Im September trägt Federer mit einigen Top-Profis den Laver Cup aus, ab Januar 2020 hat die ATP in Australien ein Teamevent geplant, das sich kaum vom wenige Wochen zuvor ausgetrage­nen Davis Cup unterschei­den wird.

Weitere unbeantwor­tete Fragen lassen den „neuen“Davis Cup als unausgegor­enen Schnellsch­uss erscheinen. In welchem Modus wird die Qualifikat­ion im Februar gespielt? Wie im Finale mit drei Matches über jeweils zwei Gewinnsätz­e oder doch wie gehabt mit vier Einzeln und einem Doppel über die volle Distanz?

Wer garantiert überhaupt die versproche­nen drei Milliarden Dollar über die nächsten 25 Jahre, mit denen Haggerty viele kleine Verbände geködert hat? „So viele Fragen, die Geld nicht beantworte­n kann“, schrieb Bundestrai­nerin Barbara Rittner bei Twitter.

Apropos: Was ist eigentlich mit dem Fed Cup? Um den Frauen-Wettkampf konnte sich der Weltverban­d noch nicht kümmern, dessen Reform soll dann im Jahr 2020 folgen. Geräuschlo­s wird auch diese Entscheidu­ng sicher nicht über die Bühne gehen.

„Ihr Typen seid eine Schande für das Tennis“Lucas Pouille Tennisprof­i

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FOTO: AP Der große Sprung in Cincinnati bleibt aus: Angelique Kerber scheidet bereits im Achtlefina­le gegen die US-Amerikaner­in Madison Keys aus.
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FOTO: AP Auch für Alexander Zverev ist in Cincinnati früh Endstation.
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