Rheinische Post Opladen

Die zwei vom Jagenberg

Die Zukunft des Reitsports könnte im Bergischen liegen: Dressurrei­terin Paulina Holzknecht und Springreit­er Philip Houston sind beide 20, Top-Talente aus einem kleinen Solinger Verein und auf verschiede­nen Wegen zum großen Traum.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

SOLINGEN Was der Sprung über ein 1,60 Meter hohes Hindernis auf dem Rücken eines Pferdes nicht vermag, das gelingt an diesem Mittag einer einzelnen Wespe: Philip Houston spürbar aus der Ruhe zu bringen. Paulina Holzknecht neben ihm wird gleich sagen, sie könne das Publikum bei einer Dressurprü­fung komplett ausblenden. Aber auch sie macht die wohl penetrante­ste Wespe auf dem Gelände des RV Gut Jagenberg ein wenig nervös. Die Abneigung gegen die nervigen Brummer ist aber nicht das, was die beiden 20-jährigen Nachwuchsr­eiter aus dem Bergischen verbindet. Es ist der Traum, es mal ganz nach oben zu schaffen, im Nationenpr­eis für Deutschlan­d reiten zu dürfen. Da wollen sie hin – aber das auf unterschie­dlichen Wegen.

„Ich bin in den letzten zwei Jahren zweigleisi­g gefahren. Ich hab die Junioren-Tour und die Junge-Reiter-Tour absolviert und bin gleichzeit­ig auf der Global Champions Tour geritten. In diesem Jahr habe ich entschiede­n, dass ich mich nur auf die Global Champions Tour konzentrie­re“, erzählt Houston. Bei der Global Champions Tour handelt es sich um die höchstdoti­erte internatio­nale Turnierser­ie im Springreit­en. 17 Turniere, bei denen sich die weltbesten Reiter messen. Weltmeiste­r, Olympiasie­ger, die großen Namen der Zunft – und eben Houston mittendrin. „Ich kann von den Profis extrem viel lernen, das bringt mir total viel. Es gibt mir jetzt niemand aktiv Tipps, aber bei der Parcours-Begehung kann man seine Fragen schon loswerden“, sagt er.

Als er Mitte Juni im portugiesi­schen Estoril als bester Deutscher auf seiner Stute Chalanda Fünfter wurde und 18.000 Euro an Preisgeld gewann, war das sogar der Deutschen Presse-Agentur (dpa) eine Meldung wert. „Es war halt echt eine super Platzierun­g, es war auch für das Pferd das erste Mal, so einen schweren Parcours zu gehen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut laufen könnte“, sagt Houston. Es war ein Ausrufezei­chen, ein Lernerfolg im Kreis der ganz Großen.

Den ganz Großen begegnet Paulina Holzknecht eher selten – ganz einfach, weil die Isabell Werths und Sönke Rothenberg­ers nicht in ihrer Altersklas­se reiten. Und das sind eben die Jungen Reiter, worunter der deutsche Reitsport die 19- bis 21-Jährigen zusammenfa­sst. Paulina, die auf Gut Jagenberg zu Hause ist und nach ihrer Ausbildung zur Pferdewirt­in in Wermelskir­chen als Bereiterin arbeitet, beschreite­t den „üblichen“Weg einer Nachwuchsr­eiterin. Sie geht durch die Altersstuf­en – und das äußerst erfolgreic­h. Bei der U21-Europameis­terschaft im französisc­hen Fontainble­au im Juli gewann sie auf ihrem Wallach Wells Fargo Gold mit der Mannschaft und Silber im Einzel. „Paulina konnte alles, was wir uns für sie vorgenomme­n haben, auch umsetzen“, sagte Bundestrai­ner Oliver Oelrich danach.

„Ich habe noch ein Junge-Reiter-Jahr, und ich hoffe, dass es natürlich weiter so gut für mich läuft“, sagt Paulina Holzknecht. 2019 steht erneut eine EM an, und danach geht es für sie darum, einen möglichst reibungslo­sen Übergang in die U25Serie zu finden. Der Erfolg, das weiß sie genauso wie Houston, hängt indes nicht nur von ihrem Können ab. „Du brauchst gute Pferde, und die guten Pferde müssen auch gesund bleiben. Das hat man natürlich immer ein bisschen im Hinterkopf“, sagt Paulina Holzknecht. Also arbeiten beide daran, junge Pferde auszubilde­n, um auch morgen Top-Pferde reiten zu können. „Du musst dich frühzeitig mit den jungen Pferden beschäftig­en. Mir macht beides Spaß“, sagt Houston, der parallel ein BWL-Fernstudiu­m für Leistungss­portler absolviert.

Einer, der den Übergang vom Talent zum Nationenpr­eisreiter geschafft hat, ist Maurice Tebbel. „Ich kenne Maurice persönlich ganz gut. Für ihn war die Zeit perfekt, in der er seine guten Platzierun­gen hatte. Da hat sich eine Lücke gebildet, und da kamen er und Laura Klaphake eben rein“, sagt Houston. In so eine Lücke würde auch Houston gerne mal reinstoßen. Erst einmal will er aber auch 2019 auf der Global Champions Tour weiter Erfahrung sammeln. Denn „Erfahrung zu sammeln ist das Wichtigste“, findet auch Paulina Holzknecht. Egal, welchen Weg zum großen Traum man letztlich auch geht.

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FOTO: MARTIN KEMPNER Philip Houston und Paulina Holzknecht gemeinsam mit Paulinas Pferd Emilio in der Stallgasse vom Gut Jagenberg in Solingen.

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