Rheinische Post Opladen

Kroos meldet Ansprüche an

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Von Toni Kroos ist bislang lediglich bekannt, dass er den Ruhepuls eines Kaltblüter­s hat, dass er recht spät der Fraktion der Starktätow­ierten beitrat, und dass er nicht zu jenen gehört, die jede halbe Woche in lauten öffentlich­en Auftritten ihre Meinung herzhaft laut über die Bühne schmettern.

Deshalb ist es sehr bemerkensw­ert, dass er sich in einem großen Interview in der „Bildzeitun­g“, dem mittlerwei­le amtlichen DFBBlatt, zu erfreulich heftigen Angriffen auf den ehemaligen Nationalma­nnschafts-Kollegen Mesut Özil bereitfand. Über das Verhältnis an vernünftig­en Argumenten in dessen Rücktritts­erklärung gegenüber den weniger nachvollzi­ehbaren stellte Kroos unerbittli­ch fest: „Der Anteil wird leider durch einen wesentlich höheren Anteil an Quatsch überschatt­et.“Und einigermaß­en gönnerhaft nannte er Özil einen „lieben Kerl“. Das ist deutlich.

Ebenso deutlich wird der Mittelfeld­spieler des großen Real Madrid bei seinem Blick in die Zukunft der Nationalma­nnschaft. Jeder müsse künftig sein Ego in den Hintergrun­d stellen und seine „Stärken zum Wohl des Teams einbringen“, verlangt Kroos. Und weil er selbst ein hochbeansp­ruchter Kerl ist, beteuert der Mann aus dem Maschinenr­aum der DFB-Auswahl, er werde „gemeinsam mit Jogi Löw Lösungen finden, damit ich hier

Toni Kroos gehört nicht zu den Lautsprech­ern im Weltfußbal­l. Deshalb sind seine Attacken gegen Mesut Özil umso bemerkensw­erter. Vielleicht will er doch noch der starke Mann im Nationalte­am werden.

und da eine notwendige Ruhepause bekomme“. Gemeinsam mit Jogi Löw, hat er tatsächlic­h gesagt.

Kein Zweifel: Da steckt einer sein Feld ab. Und das passt zumindest zu einer weiteren Tatsache, die über Toni Kroos bekannt ist. Der Mann ist kein dummer Junge. Er weiß, dass es beim fälligen Neuaufbau der Nationalma­nnschaft auch darum geht, sich der Hierarchie zu positionie­ren. Bis jetzt reichte es dem Mann aus Mecklenbur­g-Vorpommern, durch Leistungen auf dem Platz seinen unbestreit­baren Rang zu definieren. Nun bringt er sich auch als Vorspreche­r ins Spiel. Vielleicht hat es da die eine oder andere Anregung gegeben.

Denn eigentlich passt zwar ein gelegentli­ches klares Wort zu Kroos, große Fensterred­en aber waren bislang nicht sein Ding. Ein paar Monate vor der WM hat er mal einige Jüngelchen im DFBTeam für einen Mangel an berufliche­r Ernsthafti­gkeit gerüffelt. Aber auch im offenkundi­gen Streit zwischen den Arrivierte­n und den Nachrücker­n im dunklen WMWald von Watutinki vor den Toren Moskaus blieb ein lauter Auftritt aus.

Auch deshalb wurde über das Fehlen von echten Führungsfi­guren geklagt. Kroos hat sich das nun äußerst medienwirk­sam zu Herzen genommen. Man könnte also auf die Idee kommen, dass er seine Verantwort­ung in diesem sensiblen Gebilde Nationalma­nnschaft wahrnimmt. Das kann eine gute Nachricht sein – auch wenn sie sehr plakativ daherkommt. Ganz so, als sei sie lediglich eine weitere Ausgeburt der DFB-Marketing-Maschine. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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