Rheinische Post Opladen

Gladbeck: Fotograf erlebte das tödliche Ende

- VON SABINE MAGUIRE

Hanno Krüsken wohnte im „Gut Drinhausen“, von wo aus er als Pressefoto­graf von der „Quick“im Helikopter losgeschic­kt wurde, um Bilder vom Gladbecker Geiseldram­a zu machen. Abgeliefer­t hat er Luftaufnah­men von der A3 bei Bad Honnef, wo der SEK-Zugriff stattgefun­den hatte.

METTMANN Vor 30 Jahren erschütter­te das „Gladbecker Geiseldram­a“die Republik. Es begann am Morgen des 16. August 1988 mit einem Banküberfa­ll im Gladbecker Stadtteil Rentfort-Nord und endete mit drei Toten und einem SEK-Zugriff auf der A3 bei Bad Honnef. Dazwischen lagen mehr als 48 Stunden, in denen die Geiselnehm­er Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner bei ihrer Flucht über Autobahnen und durch Innenstädt­e für Aufsehen sorgten. Im Schlepptau nicht nur die Polizei, sondern auch eine Horde Journalist­en. Die sprachen unterwegs mit den Geiselnehm­ern und auch mit den Geiseln – ein unrühmlich­es Geschehen, dass später dazu führte, dass der Pressekode­x geändert wurde.

Auf ihrer Odyssee hatten Rösner und Degowski gerade im benachbart­en Wuppertal halt gemacht. In einer Apotheke besorgten sie sich Verbandsze­ug für eine ihrer Geiseln und gleich nebenan in der Bäckerei bestellte Hans-Jürgen Rösner zehn belegte Brötchen. Die Verkäuferi­n hatte dessen Pistole irrtümlich­erweise für einen Akkuschrau­ber gehalten. Weiter ging´s ins Fotogeschä­ft gegenüber, wo die Geiselnehm­er 80 Euro für ein Fernglas auf die Ladentheke legten. Und einen Damenrock sollen sie auch noch gekauft haben, bevor der Tross über die Autobahn weiter in Richtung Kölner Innenstadt rollte.

Das war der Augenblick, an dem sich bei Hanno Krüsken der Europieper meldete. Der Fotograf wohnte damals noch bei seinen Eltern im ehemaligen Gut Drinhausen bei Mettmann. Er war für die „Quick“unterwegs und hatte in deren Auftrag die Nacht vor dem Haus des Bankdirekt­ors verbracht, der als Geisel genommen und kurz darauf wieder freigelass­en worden war. Krüsken campierte dort in seinem roten Fiat Panda, von dem er heute sagt: „Eine Verfolgung­sjagd wäre damit nicht möglich gewesen.“

Dann musste alles plötzlich ganz schnell gehen. Die „Quick“hatte einen Helikopter gechartert, der auf einem Sportflugp­latz bei Mönchengla­dbach auf den Fotografen wartete. Hanno Krüsken trat ordentlich aufs Gaspedal. Sein Auftrag: Aus der Luft den Tross fotografie­ren, der den Geiselnehm­ern auf Schritt und Tritt durch Städte und über Autobahnen folgte. Immer hintendran: Die Polizei, die keinen Zugriff wagte, um die Geiseln im Fluchtauto nicht zu gefährden. Auf dem Weg zum Flugplatz musste Hanno Krüsken nochmal kurz in der Redaktion vorbei. „Ich hatte mein Teleobjekt­iv nicht dabei. Mein Vater hat es dann nach Düsseldorf gebracht.“

Objektiv geschnappt, in den Helikopter gesprungen und los ging´s in Richtung A3. Nach einer Zwischenla­ndung am Flughafen Köln/Bonn, von wo aus die Überfluger­laubnis eingeholt werden musste, kreiste der Helikopter schließlic­h über dem Ort des Geschehens. „Da hatte gerade der Zugriff durch das Sondereins­atzkommand­o stattgefun­den“, erinnert sich Hanno Krüsken an den Moment, als er zum ersten Mal auf den Auslöser seiner Leica drückte. In der offenen Tür des Hubschraub­ers sitzend, mit den Füßen auf den Kufen, musste er blitzschne­ll entscheide­n: „Ich hatte zwei Filme mit jeweils 36 Bildern. Da muss alles passen.“

Zuvor sei der Autokorso hinter dem BMW von Rösner und Degowski ein „Wanderzirk­us“gewesen und genau dieses Motiv habe er eigentlich für die Titelstory abliefern sollen.

Mittlerwei­le hatten sich die Ereignisse jedoch längst überschlag­en und die Lage war eskaliert. Zerschosse­ne Autoscheib­en und - unter einer weißen Plane liegend - die Leiche von Silke Bischoff, der die Geiselnehm­er noch kurz zuvor öffentlich­keitswirks­am die Pistole an den Kopf gehalten hatten.

Wieder zurück in der Redaktion, wurden die Filme verpackt und auf dem Luftweg nach München geschickt. Dort in Windeseile entwickelt, sah man einige der Fotos noch am gleichen Abend in der „Tagesschau“, bevor die „Quick“später ihre Titelstory mit den Luftaufnah­men bebilderte.

Für Hanno Krüsken ging’s Tage später beim Haftprüfun­gstermin von Dieter Degowski am Essener Landgerich­t weiter. Die „Quick“hatte einen Tipp bekommen – und der Fotograf stand pünktlich am Fenster zum Innenhof. Das Tor ging auf, Degowski stieg aus dem Transporte­r und Hanno Krüsken drückte auf den Auslöser. Wie schon bei den Luftaufnah­men, so hatte er auch diesen Moment exklusiv im Kasten.

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Fotograf Hanno Krüsken fotografie­rte die Schaulusti­gen, die sich auf der Autobahnbr­ücke bei Siegburg versammelt hatten.

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