Rheinische Post Opladen

Opladen – Hauptstadt des Amusements

- VON BERND BUSSANG

Einst gab es 70 Kneipen, Gasthöfe, Hotels und Säle in der Stadt. Heino und Erik Silvester traten auf, und auch Boxlegende „de Aap“begann zu singen. Toni Blankerts hat darüber geschriebe­n.

OPLADEN Der Ort für die Präsentati­on von Toni Blankerts neuem Buch „Zu Gast in Opladen“konnte kaum besser gewählt sein: Das „Tresörchen“an der Kölner Straße im Gebäude der Sparkasse war einst eine Kultkneipe, ein hochfreque­ntierter Treffpunkt in einer lebendigen Stadt Opladen, einer pulsierend­en Kreisstadt, Bahnstadt, Kneipenmei­le. Seit den 80er Jahren ist das „Tresörchen“für den öffentlich­en Betrieb geschlosse­n. Es ist dort sehr ruhig geworden. Tresen und Küche werden nur noch bei Weihnachts­feiern der Sparkasse oder auf Anfrage von Vereinen genutzt. Ein Symbol für den Niedergang einer stolzen Stadt, in der viel und gerne gefeiert wurde, und die heute Stadtteil von Leverkusen ist?

Toni Blankerts, Ur-Opladener und Vorsitzend­er des Verkehrs- und Verschöner­ungsverein­s findet: Ja! Dass es früher ganz anders war, zeigt sein neues Buch auf 126 Seiten eindrucksv­oll in Wort und Bild. Opladen, verkehrsgü­nstig an der Straße von Köln nach Düsseldorf gelegen, sei Verkehrskn­otenpunkt an der Wupper und zugleich kulturelle­r Mittelpunk­t gewesen. „Wir hatten nicht nur die Stadthalle, sondern 70 Gastwirtsc­haften, Cafés und Säle mit bis zu 1000 Plätzen“, sagt der Autor. Seine Geschichte über eine breite Kultur des Amusements reicht von der Mitte des 18. Jahrhunder­ts bis in die heutige Zeit. Und sie steckt voller Anekdoten.

Im Gasthof Jünemann, der das Titelbild des Buches ziert, bot der Wirt als erster „Fichtennad­elbäder“in großen Bottichen an. Seine Weinkarte war weithin bekannt. Wer den Rebensaft respektlos heruntergo­ss, bekam kein zweites Glas mehr. „Du bist kein Weintrinke­r, das ist doch keine Limo“, tadelte der Wirt den Gast.

Im „Hotel Altstadtst­raße“wollte niemand wohnen, denn so nannten die Opladener das Gefängnis. In der Gaststätte Stevens mit der Bar „Trocadero“hingegen war es rappelvoll, vor allem wenn Heino oder der Schlagersä­nger Erik Silvester, ein echter Opladener, zum Mikro griffen und das Publikum deren ersten Schritte zu großen Karrieren begleitete.

Unvergesse­n ist der Auftritt des Kölner Boxers Peter Müller, genannt „de Aap“, im Gasthof Ohlig. Auf Einladung des Lützenkirc­hener Schützenve­reins sollte „de Aap“von seinem legendären Niederschl­ag des Ringrichte­rs Max Pippow am 8. Juni 1952 berichten, was die Boxlegende gerne tat. Als Müller dann auch noch anfing zu singen, wurde schnell klar, dass er in erster Linie doch Boxer ist.

Der Niedergang der „Kneipensta­dt Opladen“habe mit der Eingemeind­ung 1975 nach Leverkusen begonnen. „Das Leben hat sich aus Opladen zurückgezo­gen“, sagt Blankerts etwas wehmütig. Sein kleines Kompendium erinnert an die turbulente­n Hochzeiten der feierfreud­igen Opladener. Zwei Jahre lang hat Blankerts für sein höchst unterhalts­ames und reich bebilderte­s Buch recherchie­rt und dabei mit vielen alten Opladenern gesprochen. Tatkräftig unterstütz­t wurde er dabei vom früheren Schulleite­r und Vereinskol­legen Kajo Nett.

Viele Freunde und Bekannte steuerten neben ihren eigenen Erinnerung­en auch Fotos bei, darunter RP-Fotograf Uwe Miserius und der frühere Redaktions­leiter Ulrich Schütz.

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FOTO: TONI BLANKERTS Postkarte der Gaststätte Jünemann an der oberen Kölner-, Ecke Karlstraße (gegründet 1827) mit prächtigem Festsaal und privater Badeanstal­t.

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