Rheinische Post Opladen

Beton durch Bauboom Mangelware

Die rege Bautätigke­it bringt viele Sand- und Kiesgruben an ihre Kapazitäts­grenzen. Sie liefern wichtige Zutaten für Baustoffe wie Beton. Neue zu erschließe­n, ist unbeliebt und langwierig.

- VON JAN DREBES

BERLIN/DÜSSELDORF Niedrige Zinsen, prall gefüllte Staatskass­en und ein hoher Sanierungs­bedarf beflügeln in Deutschlan­d die Bauwirtsch­aft. Die Kehrseite: Es fehlt längst an Bauarbeite­rn und Planern, jetzt droht zudem ein Mangel an wichtigen Baustoffen. Denn viele der Werke zur Förderung etwa von Sand und Kies arbeiten am Limit. Bauexperte­n warnen vor Verzögerun­gen und steigenden Kosten.

„Wir rechnen für dieses und für die kommenden Jahre mit einer anhaltend hohen Nachfrage“, sagte Susanne Funk, Geschäftsf­ührerin des Bundesverb­andes Mineralisc­he Rohstoffe (Miro). „Angesichts der ambitionie­rten Ziele der Bundesregi­erung etwa beim Wohnungsba­u oder den geplanten Milliarden­ausgaben für den Straßen- und Brückenbau wird es zwangsläuf­ig zu regionalen Engpässen bei der Rohstoffve­rsorgung kommen“, warnte sie. So hat die NRW-Landesregi­erung angekündig­t, beim Straßenbau viele Sanierunge­n abarbeiten zu wollen. Ablesbar ist das am Umsatz von Straßen.NRW, der 2015 noch bei 884 Millionen Euro und im Jahr 2017 bereits bei 1,25 Milliarden Euro lag.

Laut Funk gibt es derzeit etwa 3000 Werke für den Abbau von Sand, Kies und Naturstein. Diese Zahl sei aber trotz steigender Nachfrage rückläufig, weil die Genehmigun­gsverfahre­n für die Rohstoffge­winnung zu lange dauerten. „Derzeit müssen die Betreiber solcher Werke mit einer Verfahrens­dauer von bis zu zwölf Jahren rechnen, um die Gewinnungs­stätten zu erweitern oder neue zu erschließe­n“, so Funk.

Auch in NRW ist man alarmiert. „Es wird für die rohstoffge­winnenden Betriebe immer schwierige­r, die notwendige­n Genehmigun­gen zu erhalten“, warnte Raimo Benger, Hauptgesch­äftsführer des Verbandes der Bau- und Rohstoffin­dustrie mit Sitz in Duisburg. Das liege an den Umwelt- und Naturschut­z-Auflagen, die in den Bundesländ­ern unterschie­dlich streng geregelt seien, teilweise sogar EU-Richtlinie­n übererfüll­ten. „Die Politik muss auf allen Ebenen Bürokratie abbauen“, forderte Miro-Geschäftsf­ührerin Funk. Von massiven Verzögerun­gen könnten Bauprojekt­e der Bahn im Oberrheint­al oder die vielen Autobahnba­ustellen in NRW betroffen sein.

Doch nicht nur die Genehmigun­gsverfahre­n an sich sind ein Problem für die Betriebe. Sie klagen zudem über sinkende Akzeptanz der Einwohner. „Die Leute ziehen aufs Land, um ihre Ruhe zu haben. Aber sie machen sich keine Gedanken darum, dass der Rohstoff für ihr Eigenheim irgendwo herkommen muss“, sagte Funk. Auch bei der Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe kennt man das Problem. Vizepräsid­ent Volker Steinbach sagte: „Ein weiteres Risiko für die Versorgung mit Baurohstof­fen besteht in der konkurrier­enden Flächennut­zung.“So seien in Siedlungs- und Infrastruk­turgebiete­n sowie in Wasser-, Naturschut­zund Landschaft­sschutzgeb­ieten diese Rohstoffe nicht gewinnbar. Beispiel Baden-Württember­g: Dort seien bereits 85 Prozent der nutzbaren Fläche verplant. „Für Kies- oder Sandgruben ist dann kaum Platz“, sagte Steinbach.

Naturschüt­zern bereiten die Forderunge­n der Baubranche Sorgen. „Das Naturschut­zrecht ist unbedingt einzuhalte­n“, mahnte der Ressourcen­experte des Naturschut­zbundes, Benjamin Bongardt, in Berlin. Es ließen sich auch heute weniger Baustoffe einsetzen, etwa durch Sanierung statt Neubau, Mehrfamili­enhaus- statt Einfamilie­nhausbau und kompakte Infrastruk­turplanung. Leitartike­l

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