Rheinische Post Opladen

Die Rente wird zum Spielball

- VON BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

ANALYSE Rentenpoli­tik ist zurzeit mehr als die Stabilisie­rung des Alterssich­erungssyst­ems. Die SPD will sich damit in der Regierung profiliere­n. Eine Bestandsau­fnahme der aktuellen Diskussion.

BERLIN Die Regierung ist gerade erst dabei, in der neuen Wahlperiod­e so richtig loszulegen, da hat die SPD schon ihren Wahlkampfs­chlager für 2021 gefunden: die Rente. Wir haben die wichtigste­n Punkte zusammenge­stellt, die bis dahin in der Rentenpoli­tik anstehen. Welche kurzfristi­gen Änderungen in der Rentenpoli­tik wird es geben? Voraussich­tlich in der kommenden Woche wird Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) sein Rentenpake­t ins Kabinett einbringen. Herzstück ist eine erneute Ausweitung der Mütterrent­e für Frauen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben. Profitiere­n werden allerdings nur Mütter (und Väter), die drei Kinder oder mehr erzogen haben. Sie sollen pro Kind und Monat bei der Rente zusätzlich den Gegenwert von einem Rentenpunk­t erhalten. Aktuell sind das im Westen 32,03 Euro und im Osten 30,69 Euro. Zudem soll das aktuelle Rentennive­au von 48 Prozent bis 2025 festgeschr­ieben werden. Auch für Menschen, die aus gesundheit­lichen Gründen frühzeitig in Rente gehen müssen, gibt es Verbesseru­ngen. Warum ist die Rentenpoli­tik trotz gefüllter Kassen in dieser Wahlperiod­e ein so zentrales Thema? Noch erzielt die Rentenvers­icherung satte Überschüss­e. Das liegt an der guten Arbeitsmar­ktsituatio­n und auch daran, dass die sogenannte­n Baby-Boomer-Jahrgänge, die in den 60er Jahren geboren wurden, aktuell noch erwerbstät­ig sind und vielfach hohe Gehaltsstu­fen erreicht haben. Diese Generation geht ab 2025 in Rente. Dann müssen immer weniger junge Menschen für eine wachsende Zahl von Senioren aufkommen. Es ist also Zeit, eine Regelung zur gerechten Verteilung der Lasten zwischen den Generation­en zu finden. Welche Aufgabe hat die Rentenkomm­ission? Die von Arbeitsmin­ister Heil eingesetzt­e Rentenkomm­ission soll bis März 2020 „die Stellschra­uben der Rentenvers­icherung in ein langfristi­ges Gleichgewi­cht bringen“, heißt es im Koalitions­vertrag. Gemeint ist damit die Frage, wie die Renten auch nach 2025 noch auskömmlic­h sein können, ohne dass zugleich die Kosten so sehr in die Höhe schießen, dass Arbeitnehm­er, Arbeitgebe­r und Steuerzahl­er überforder­t wären. Zu den Stellschra­uben gehören das Rentennive­au, also das Verhältnis der Durchschni­ttsrente zum Durchschni­ttslohn, der Beitragssa­tz, der Steuerzusc­huss und das Renteneint­rittsalter. Warum prescht die SPD jetzt mit dem Vorstoß für die Stabilisie­rung des Rentennive­aus bis 2040 vor? Die SPD kommt aus dem Umfragetie­f von 17, 18 Prozent nicht heraus. Die Parteispit­ze meint, sie könne nur punkten, wenn sie sich in zentralen sozialpoli­tischen Fragen vom Konsens der Koalition löst. Eine zentrale Frage mit Blick auf die kommenden Landtagswa­hlen und die Bundestags­wahl 2021 wird nach SPD-Meinung die Zukunft der Rente sein. Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) machte jetzt den Anfang und erklärte, die SPD werde darauf bestehen, dass das Rentennive­au auch nach 2025 stabil bleibe. Gemeint hat er damit: Auch die künftigen Rentnergen­erationen sollen bis 2040 ein Rentennive­au von 48 Prozent des Durchschni­ttslohns garantiert bekommen. Was würde die Stabilisie­rung des Rentennive­aus ab 2025 bei 48 Prozent kosten? Ökonomen schätzen die Gesamtkost­en der Stabilisie­rung des Rentennive­aus bei 48 Prozent bis 2040 im Vergleich zu einer ungeregelt­en Entwicklun­g auf drei Billionen Euro. „Der Renten-Vorschlag von Finanzmini­ster Olaf Scholz überrascht zum jetzigen Zeitpunkt“, sagte Steuerzahl­erpräsiden­t Reiner Holznagel. „Es ist nicht hilfreich und verunsiche­rt die Bürger, jetzt unnötig die Pferde scheu zu machen, da kein Anlass für hektische Reaktionen besteht“, sagte er. FDP-Chef Christian Lindner wies auf die Ausgabenst­eigerungen schon durch

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