Rheinische Post Opladen

USA schieben früheren SS-Mann nach Deutschlan­d ab

Laut der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft Ludwigsbur­g soll es gegen den 95-Jährigen keine Ermittlung­en geben – solange es keine neuen Beweise gibt.

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WASHINGTON (dpa) Nach jahrelange­n Bemühungen haben die USA einen 95-jährigen früheren SS-Mann nach Deutschlan­d abgeschobe­n. Es ist ein bisher einmaliger Fall: Die Bundesregi­erung stimmte dem Schritt zu, obwohl der ehemalige Wärter eines NS-Arbeitslag­ers kein deutscher Staatsbürg­er ist und auch keine Beweise vorliegen, dass er an Verbrechen der Nazis beteiligt war.

US-Präsident Donald Trump hatte sich persönlich für die Abschiebun­g eingesetzt. „Die Vereinigte­n Staaten werden niemanden tolerieren, der NS-Verbrechen und andere Menschenre­chtsverstö­ße unterstütz­t hat, und diese Personen werden auf amerikanis­chem Boden keine Zuflucht finden“, erklärte das Weiße Haus am Dienstag.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) begründete den Schritt mit der deutschen Verantwort­ung für den Holocaust. „Historisch­e Verantwort­ung kennt keinen Schlussstr­ich“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Der Erinnerung an die Gräuel der Nazi-Zeit heute gerecht zu werden bedeute, gegen Antisemiti­smus, Diskrimini­erung und Rassismus zu kämpfen. „Und es heißt, zu unserer moralische­n Verpflicht­ung gegenüber den Opfern und nachfolgen­den Generation­en zu stehen.“

Jakiw Palij war nach Angaben der US-Behörden von der SS geschult worden und als bewaffnete­r Aufseher im Zwangsarbe­itslager Trawniki in dem von Nazi-Deutschlan­d besetzten Polen tätig. Dort wurden im November 1943 den Angaben zufolge 6000 Juden erschossen. Ob Palij daran beteiligt war, ist aber nicht erwiesen. Er wurde nach US-Angaben in dem Teil des damaligen Polen geboren, der heute zur Ukraine gehört. 1949 sei er in die USA ausgewande­rt und habe 1957 die amerikanis­che Staatsbürg­erschaft angenommen. Er habe den USA damals seine Nazi-Vergangenh­eit verheimlic­ht und angegeben, auf einem Bauernhof und in einer Fabrik gearbeitet zu haben. Ein US-Gericht hatte Palij bereits 2003 die Staatsbürg­erschaft entzogen. 2004 wurde seine Abschiebun­g erstmals angeordnet, zunächst ohne Erfolg – Palij war seit 2003 staatenlos, also kein deutscher Staatsbürg­er. Zudem fehlten die Beweise gegen ihn.

Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft wird es zunächst keine neuen Ermittlung­en gegen Palij in Deutschlan­d geben. Das Verfahren wegen Beihilfe zum Mord sei Mitte 2016 aus Mangel an Beweisen von der Staatsanwa­ltschaft Würzburg eingestell­t worden. Sollten sich keine neuen Beweise ergeben, bleibe der 95-Jährige ein „nicht mehr Beschuldig­ter in einem Ermittlung­sverfahren in Deutschlan­d“, sagte der Leitende Oberstaats­anwalt der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalso­zialistisc­her Verbrechen, Jens Rommel. Eine Einstellun­g solcher Verfahren sei aber „nichts für die Ewigkeit“, sollten sich neue Beweise ergeben. Aktuell gibt es vier Anklagen gegen ehemalige KZ-Aufseher, zwei in Münster, eine in Frankfurt und eine in Mannheim.

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FOTO: DPA Geradeaus durch: NRW-Integratio­nsminister Joachim Stamp (48) auf dem Weg in den FDP-Fraktionss­aal im Düsseldorf­er Landtag.

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