Die Rückkehr der Kommunisten
Der 50. Gedenktag zum Ende des Prager Frühlings verlief laut und kontrovers. Der tschechische Präsident Miloš Zeman schwieg.
PRAG Pfiffe und Buh-Rufe empfingen gestern Premierminister Andrej Babis, als er vor dem Rundfunkgebäude in der Vinohradská-Straße eintraf. Dass Babis hier auftauchte, an einem der blutigsten Schauplätze der Invasion von 600.000 Warschauer-Pakt-Truppen am 21. August 1968, sahen viele Tschechen als Provokation. „Schande!“riefen die Leute, und: „Lügner“. Eine Anspielung darauf, dass der Milliardär leugnet, einst Spitzel des kommunistischen Geheimdienstes gewesen zu sein.
Besonders übel nehmen viele Tschechen, dass Babis, Anführer der populistischen Bewegung Ano und seit Mitte Juli Chef einer Minderheitsregierung, sich von der Kommunistischen Partei (KSCM) im Prager Parlament stützen lässt. Ausgerechnet zum 50. Jahrestag des Prager Reformfrühlings kehren die unverändert Moskau-treuen Kommunisten dank Babis zurück an die Macht. Der Milliardär, gegen den auch ein Verfahren wegen Veruntreuung von EU-Fördergeld in Millionenhöhe läuft, verurteilte gestern in seiner Gedenkrede zwar den Einmarsch, der viele Hoffnungen auf Demokratie und Freiheit zunichte gemacht habe, hatte aber zuvor in einem Interview die KSCM zur „demokratischen und staatsbildenden Partei“hochgelobt.
Wäre sie das, müsste Kommunistenchef Vojtech Filip, nunmehr stellvertretender Parlamentspräsident, die tragischen Ereignisse von 1968 bedauern und sich bei den Angehörigen der Opfer entschuldigen. Stattdessen sprach Filip in einem Interview mit dem britischen „Guardian“die Sowjetunion respektive deren Nachfolgestaat Russland von jeglicher Schuld frei. Seine aberwitzige These: Die allgemeine historische Sicht sei falsch, weil sie auf einem „anti-russischen Standpunkt“beruhe. Die Russen aber hätten beim Einmarsch kaum eine Rolle gespielt, denn den Großteil der Truppen hätten Ukrainer, Polen, Ungarn und Bulgaren gestellt. Auch der damalige Kremlchef Leonid Breschnew sei Ukrainer gewesen.
Nicht weniger blamabel verhielt sich Präsident Milos Zeman: Er lehnte es ab, zum 50-Jahr-Gedenken eine Rede an die Bevölkerung zu halten und erntete dafür von vielen Seiten heftige Kritik. Er sei mutig zu einer Zeit gewesen, als Mut noch teuer gewesen sei, ließ er seinen Sprecher mitteilen. Das sei mehr wert als Tausend Reden an Gedenktagen. Zeman spielt auf seinen damaligen Ausschluss aus der kommunistischen Partei an, doch als Regimekritiker ist er während der „bleiernen Zeit“, wie die 20 Jahre nach dem Prager Frühling bis zur demokratischen Wende 1989 genannt werden, nicht aufgefallen.
Zeman hat andere Gründe, sich zu drücken: Russlands Präsident Wladimir Putin ist ein enger Freund, mit ihm verbindet Zeman die Neigung zu Allmachtsallüren und die Abneigung gegen die EU. Immer wieder fordert Zeman die Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau, die Brüssel wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim verhängt hatte.
Der heimliche, lachende Dritte dieses Gedenktages ist Putin, er kann sich über seine mächtigen Freunde in Prag glücklich schätzen, die just am 50. Jahrestag vergessen haben, dass die Invasion 1968 ein Verbrechen gegen die Freiheit war.