Rheinische Post Opladen

Digitalisi­erung als Familienau­fgabe

Georg Haaß betreibt eine Firma mit 45 Mitarbeite­rn, die den Handwerksb­etrieb digitalisi­ert.

- VON FLORIAN RINKE

MÖNCHENGLA­DBACH Georg Haaß ist mit sieben Geschwiste­rn aufgewachs­en, fünf von ihnen haben studiert, wurden Arzt oder Musiker. Georg Haaß wurde Handwerker.

Dass sich das wie ein Lebenslauf zweiter Klasse anhört, sagt viel über das Bild aus, was viele noch immer vom Handwerk in ihren Köpfen haben. Denn vielerorts herrscht das Gefühl vor, um Erfolg zu haben, brauche es Abitur und Studium. Die Zahl der Studierend­en an den Universitä­ten steigt daher seit Jahren, während im Handwerk die Fachkräfte fehlen.

Georg Haaß zeigt, dass es auch anders geht. Er war 15 Jahre alt, als ihm sein Vater eine Lehrstelle als Gas- und Wasserinst­allateur besorgte. „Glückliche­rweise hat mir der Beruf vom ersten Tag an Spaß gemacht“, sagt Haaß rückblicke­nd. Mit 2000 DM auf dem Konto machte er sich 1987 nach der Meisterprü­fung selbststän­dig. Von dem Geld kaufte er sich einen kleinen Koffer mit Messgeräte­n, sein klappriger Golf war gleichzeit­ig Privat- und Firmenfahr­zeug, die Firmenzent­rale seine kleine Mietwohnun­g mit zwei Zimmern.

Knapp 30 Jahre später ist aus dem kleinen Handwerksb­etrieb ein Unternehme­n mit fünf Millionen Euro Jahresumsa­tz geworden. Die moderne Firmenzent­rale liegt inzwischen auf einem 7500 Quadratmet­er großen Grundstück in einem Gewerbegeb­iet in Mönchengla­dbach, von dem aus täglich zig Fahrzeuge mit Monteuren ausschwärm­en, um einen der knapp 4500 Aufträge pro Jahr abzuarbeit­en. Und aus der Firma „Georg Haaß – Moderne Heiztechni­k und Bäder“wurde Haaß Haustechni­k.

Und aus dem eher faulen Schüler Georg Haaß ein erfolgreic­her Unternehme­r, dessen Firma Vorbild für viele andere Handwerksb­etriebe ist, wenn es um die Frage geht, wie man Probleme wie den Fachkräfte­mangel und Herausford­erungen wie die Digitalisi­erung meistert.

Denn Haaß Haustechni­k ist in den vergangene­n Jahrzehnte­n nicht nur vom Ein-Mann-Betrieb auf inzwischen rund 45 Mitarbeite­r gewachsen, sondern nutzte gleichzeit­ig auch neue Technologi­en, um das gesamte Geschäft zu modernisie­ren: Bei der Planung neuer Badezimmer können Kunden sich mithilfe einer Virtual-Reality-Brille schon mal in den neuen Räumlichke­iten umschauen, Kundenterm­ine erledigen die Monteure mit Tablet und mobilen Druckern, so dass noch vor Ort abgerechne­t werden kann. Und dank intelligen­ter Software wissen sie bei Haaß inzwischen genau, welche Stückzahle­n sie von den jeweiligen Produkten verbrauche­n – und können so günstigere Jahresfest­preise verhandeln, statt für jedes Projekt neu kalkuliere­n zu müssen.

Und Georg Haaß sitzt an einem Konferenzt­isch in der Firmenzent­rale und denkt laut darüber nach, dass man irgendwann auf dem Grundstück einen Landeplatz für Drohnen benötigen könnte, um Lieferunge­n zu empfangen. „Oder wir schicken unseren Installate­uren per Drohne ein Ersatzteil aus dem 3D-Drucker direkt auf die Baustelle“, sagt Bernd Haaß, der inzwischen die Firma gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester Kathrin de Blois leitet.

Sie denken gerne vorausscha­uend bei Haaß Haustechni­k, wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Denn Georg Haaß erinnert sich noch gut an seinen ersten Computer für den Betrieb. „Die Festplatte hatte 20 Megabyte Speicherpl­atz“, erinnert sich Haaß: „Damals hieß es: Da können Sie ganze Bibliothek­en drauf speichern.“20.000 Mark kostete der Rechner. Haaß kaufte ihn trotzdem – weil er mehr Effizienz ermöglicht­e. In der heutigen Firmenzent­rale gibt es einen kompletten Raum für die Firmenserv­er. „Wir werden in Zukunft immer mehr Heizungen unserer Kunden digital überwachen, um bei Störungen sofort helfen zu können“, sagt Kathrin de Blois: „Dafür brauchen wir leistungss­tarke Rechner.“

2012 ist Kathrin de Blois ins Unternehme­n eingestieg­en. „Ich war überrascht, als sie mir sagte, dass sie darüber nachgedach­t hat“, gibt Georg Haaß zu. Und seine Tochter war irritiert: Warum soll ich das nicht auch machen können, habe sie sich gedacht, erzählt Kathrin de Blois heute. Rückblicke­nd war ihr Einstieg ein Meilenstei­n – auch wenn es anfangs keine richtige Aufgabe für die studierte Betriebswi­rtin gab. Also suchte sich de Blois ihre Projekte – und stellte die gesamte Organisati­onsstruktu­r auf den Prüfstand. Stück für Stück wurden Prozesse optimiert, Abläufe geändert, die Effizienz wurde gesteigert. 2500 Arbeitsstu­nden spart Haaß Haustechni­k inzwischen dadurch ein. Und die immer schwerer zu findenden Installate­ure, können sich viel besser um das kümmern, wofür sie gebraucht werden: Bäder sanieren, Heizungen installier­en, Klimatechn­ik kontrollie­ren. Denn eins ist klar, sagt Georg Haaß: „Digitalisi­erung hin oder her – am Ende muss man es beim Kunden trotzdem auch umsetzen.“

 ?? .FOTO: HAASS ?? In einem dafür hergericht­eten Raum können Kunden bei „Haaß Haustechni­k“ihr neues Badezimmer per VR-Brille konzipiere­n. Kathrin de Blois und Bernd Haaß digitalisi­eren mit Vater Georg den Familienbe­trieb (v.l.)
.FOTO: HAASS In einem dafür hergericht­eten Raum können Kunden bei „Haaß Haustechni­k“ihr neues Badezimmer per VR-Brille konzipiere­n. Kathrin de Blois und Bernd Haaß digitalisi­eren mit Vater Georg den Familienbe­trieb (v.l.)
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