Die Angst vor der Außenpolitik
Wie eine Politikwissenschaftlerin Machtpolitik demokratisieren will.
Wenn ein früherer deutscher Außenminister heute noch einer kleinen Stadt am Rhein nachtrauert, der Hauptstadt eines teilsouveränen und außenpolitisch gehandicapten Landes, dann ist das typisch: Dies war auch die Zeit, als Politologen mit neomarxistischem Ansatz versuchten, außenpolitische Interessen zu leugnen und Außenpolitik zur Innenpolitik umzudefinieren. Daran hat sich nach der Wiedervereinigung wenig geändert, wie die Sehnsucht Sigmar Gabriels zeigt.
Umso weniger kann ein Buch überraschen, das die alte These von der Außenpolitik als Innenpolitik neu beleben will. „Muss Außenpolitik als Schönheitsmakel der Demokratie hingenommen werden?“fragt die Autorin. Man stelle sich den Aufschrei vor, würde der Satz umgedreht, ob Demokratie als Schönheitsmakel der Außenpolitik hingenommen werden müsse!
Isabelle-Christine Panrecks Titel über „Diskurse als Nährboden demokratischer Außenpolitik? Kriegsentscheidungen in der massenmedialen Öffentlichkeit“klingt interessant, nimmt doch die Volatilität des Souveräns, also des Volks, nicht nur bei Wahlen zu. Dabei geht es im Buch nicht einmal um Kriegsentscheidungen, sondern darum, weder im Irak noch in Libyen einzugreifen. Also um „Nicht-Kriegsentscheidungen“: Dass dies keineswegs gleichgesetzt werden darf, wird klar, wenn man sich vorstellt, wie anders die innenpolitische Debatte sonst verlaufen wäre.
Panreck interessieren vor allem innenpolitische „Möglichkeitsräume“von Außenpolitik, die sich aus innenpolitischen „Diskursen“ergeben sollen (aber mit außenpolitischen Handlungsspielräumen nicht verwechselt werden dürfen). Panrecks Feststellung, dass in der Außenpolitik „der demokratische Charakter des Diskurses die Grenzen der Möglichkeitsräume zieht“, ist fraglich: Politik ist Führung und Machterhalt. In der Innenpolitik kann eine Regierung abgelöst werden, darüber wacht in Demokratien ein oberstes Gericht. In der Außenpolitik kann sie allenfalls durch eine militärische Intervention gestoppt werden, denn die internationale Politik funktioniert nicht nach demokratischen Spielregeln unter einem anerkannten obersten Gericht mit Sanktionsgewalt.
Es gibt immer Leute, die ihre theoretischen Modelle nicht nur auf Fakten, sondern auch auf Wunschvorstellungen gründen und dann ins akademische Lehrfach oder in die Politik gehen, wo sie dafür den größten Spielraum haben. Hacke sprach hier treffend von der „aufgesetzten Gelehrsamkeit deutscher Politikwissenschaftler“.