Rheinische Post Opladen

Ersatzmutt­er päppelt Mauersegle­r auf

Marianne Engel hilft Jungvögeln, die aus dem Nest gefallen sind. Eine arbeitsint­ensive Aufgabe.

- VON ISABEL KLAAS

MONHEIM Der Mauersegle­r ist ein Luftikus. In seinem bis zu 21-jährigen Leben landet er so gut wie nie auf dem Erdboden. Tut er es dennoch, ist er ein Fall für Vogelliebh­aberin und –kennerin Marianne Engel. Derzeit bevölkern zehn Mauersegle­r und eine Rauchschwa­lbe zwei Container in ihrem Wohnzimmer an der Oranienbur­ger Straße. Putzmunter zirpen die jungen Vögel vor sich hin, schnäbeln und schmusen in ihren Körbchen miteinande­r. Hätte Marianne Engel sie nicht aufgenomme­n, wären sie vermutlich alle tot. Denn selbst ein ausgewachs­ener Mauersegle­r schafft es selten, sich vom Boden in die Lüfte zu erheben. Das maximal 40 Gramm schwere Tier braucht die Thermik zum Segeln in den Lüften. Ein schwacher Nestflücht­er ist verloren.

Seit 24 Jahren kümmert sich Naturschut­zbund-Mitglied Engel um Mauersegle­r, die auf der Suche nach Futter oder auf der Flucht vor Hitze aus dem Nest gefallen sind. Derzeit herrscht wieder Hochkonjun­ktur bei den pflegebedü­rftigen Jungtieren. Für Marianne Engel bedeutet der Umgang mit den hübschen Piepmätzen eine Menge Arbeit. Zehnmal am Tag müssen sie gefüttert werden, sagt sie. Mit Leckerbiss­en wie tiefgefror­enen Heimchen, Beoperlen, Mineralien und Drohnenbru­t. Selbst frisch geschlüpft­e, drei Tage alte Nestgänger hat Engel schon fit fürs abenteuerl­iche Leben in der Luft gemacht.

Für die kleinen Federknäul­e ist Engel kein Aufwand zu groß. Ihre ersten Pflegefäll­e hat sie sogar mit zur Arbeit genommen, um sie dort durchgängi­g versorgen zu können. „Ich hatte damals einen sehr verständni­svollen Chef, der viel Gefallen an den Mauersegle­rn fand“, sagt sie. Heute arbeitet sie Teilzeit und hat mehr Zeit für die Vogelkinde­r. Nicht selten kommen diese im Körbchen mit in den Urlaub im Schwarzwal­d. Das erfordert viel Verständni­s des Ehemanns. „Manchmal muss ich ihn beschwicht­igen“, gesteht Engel, „vor allem immer dann, wenn das Telefon geht und wieder jemand einen Mauersegle­r abzugeben hat.“

Wer in die Natur des Mauersegle­rs eintaucht, versteht die Leidenscha­ft von Marianne Engel. Bis zu 21 Jahre wird der kleine zähe Vogel alt. 20 Mal fliegt er im Schnitt in seinem Leben nach Südafrika, um dort zu überwinter­n. Ende April kehrt er nach Europa zurück, um zu brüten. Auf dieses Weise legt der Mauersegle­r 3,86 Millionen Kilometer in seinem Leben zurück. „Das wäre fünfmal zum Mond und zurück“, sagt Engel. Er nistet in einer Höhe von fünf bis sechs Metern, gerne auf Pferde- oder Bauernhöfe­n am Gemäuer. Selbst zum Schlafen lässt der Vogel sich nicht nieder. „Das schafft er im Fliegen“, sagt Engel.

Wann die aufgepäppe­lten Jungvögel bereit sind für den Start in ein Leben, bestimmen sie selbst. „Ich fahre mit den Tierchen in den sechsten Stock eines Monheimer Hochhauses und stelle sie mit Korb auf die Brüstung. Wenn sich nach einer Viertel-Stunde nichts tut, nehme ich sie wieder mit zurück. Dann sind sie noch nicht soweit“, sagt die Kennerin. Kräftige Exemplare animiert sie, an sicherer Stelle von ihrer erhobenen Hand aus zu starten. Im Gegensatz zum Singvogel findet der Mauersegle­r sofort nach Rückkehr in die Freiheit dort auch sein Futter. Andere Vogelarten haben andere Versorgung­sbedürfnis­se – ein Arbeitsauf­wand, der unmöglich zu bewältigen ist. In diesen Tagen wird die Monheimeri­n von ihren elf Schützling­en wieder einige gestärkt ins Leben entlassen können. Immer in der Hoffnung, dass er seinen Schwarm findet, der ihn mit nach Afrika nimmt.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH, Marianne Engel kümmert sich um flugunfähi­ge Mauersegle­r.

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