Rainer Schiefer war vor 69 Jahren ein i-Dötzchen
Schultüte und ordentlich Bammel waren Begleiter am ersten Schultag.
LEVERKUSEN Ohne Schultüte geht nichts. Egal, ob selbstgebastelt oder nicht. Die „Zuckertüte“ist wohl erfunden worden, um den ersten Schultag von i-Dötzchen zu versüßen. Das war vor 200 Jahren nicht anders als vor rund 70 Jahren. Im Jahr 1949 erlebte Bezirksvorsteher Rainer Schiefer (75) seinen ersten Schultag in der katholischen Volksschule Düsseldorfer Straße. Auch er hielt eine Schultüte im Arm, wie ein Foto beweist. Es zeigt den blonden Jungen mit Mutter Gertrud und dem Hund des Hausmeisters. Zur Feier des Tages trug der kleine Rainer Jacke und kurze Hose, von der Mutter aus einem Anzug des Vaters genäht. Dieser konnte nicht dabei sein, weil er arbeiten musste. Mit Schiefer gingen rund 50 Jungen in die Klasse. Manche kamen ganz alleine zur Einschulung.
Und Schiefer kam mit Bauchschmerzen. Vor lauter Aufregung. Obwohl er die Schule gut kannte. Schließlich fungierten Onkel und Tante als Hausmeister-Ehepaar in der Ausbildungsstätte, die heute noch immer als solche existiert und Eigentum des Gemeinnützigen Bauvereins Opladen (GBO) ist. Sie wird überwiegend vom Berufskolleg Opladen genutzt. An einer Wand des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes sieht man noch den Haken, an dem einst die Schulglocke hing. Privilegierte Kinder durften sie zu Beginn und Ende der Pause läuten.
Schnell wich beim Erstklässler die Aufregung der Ernüchterung. Lehrer – viele waren noch in Gefangenschaft – legten ebenso großen Wert auf Disziplin und Ordnung, wie auf Unterricht. Eine Lehrerin unterrichtete in Schönschrift. Eine andere klebte Kindern, die sie beim Schwätzen erwischte, den Mund mit Pflaster zu. Klassenlehrer war Rektor Josef Mühlhaus. „Wer nicht aufpasste oder Blödsinn machte, riskierte Schläge mit dem Rohrstock“, schildert Schiefer fast harmlos, was einst schmerzte. Zu Hause beschwerten sich die Jungen nicht. Doppelte Strafe wollten sie keinesfalls riskieren. „Es war halt so“, sagt Rainer Schiefer im Rückblick über Dinge, die eben nicht zu ändern waren.
Die Schulspeisung gehörte dazu. Meistens gab es Suppe mit Nudeln, zubereitet im Keller. Einmal, erfuhr Schiefer lange danach, lag eine Maus in der Suppe. Sie wurde kurzerhand entfernt und die Suppe den Schülern serviert. Einmal pro Woche wurden Brötchen mit Kakao ausgeteilt. An dem Tag war der Schmutz in der Schule extrem. Denn Schüler höhlten die trockenen Brötchen aus und füllten sie mit Kakao.
„Lesebücher gab es nicht“, berichtet Schiefer weiter. Sie waren von den Besatzern noch nicht freigegeben. Vermisst hat sie niemand, denn Schüler erhielten mit „Tellus Lesebogen – das wachsende Buch“einen guten Ersatz. Jeden Monat gab es ein Heft passend zur Jahreszeit. „Diese Sammlung hüte ich wie einen Schatz“, beschreibt Schiefer. „Nicht zuletzt damit habe ich die Heimat viel besser kennengelernt.“Überhaupt seien vier Jahre in der Grundschule – er wechselte danach aufs Gymnasium Im Hederichsfeld – eine „schöne Zeit mit vielen guten Erinnerungen“gewesen. Jedenfalls im Rückblick.