Rheinische Post Opladen

Er wollte Prunk und Protz

Die ARD-Dokumentat­ion „Betrug“zeigt einen Vater, der zum Hochstaple­r wird.

- VON UTE WESSELS

MÜNCHEN (dpa) Um einen Kindergart­enplatz für seinen kranken Sohn zu bekommen, gaukelt Basti den Mitglieder­n einer Elterninit­iative im schicken Münchner Stadtteil Schwabing vor, ein wohlhabend­er Finanzmana­ger zu sein. Sein Sohn bekommt den Platz und Basti steckt mitten drin in seinem Lügengebil­de. Die Dokumentat­ion „Betrug“zeigt, wie ein Familienva­ter eine Scheinwelt aufbaut und einen Kindergart­en auszunehme­n beginnt.

Der Betrug ist ganz einfach, berichtet Basti. 1000 Euro zu viel überweist er sich und weil keiner nachfragt, macht er das noch einmal. Und dann wieder und immer wieder. Filmemache­r David Spaeth spricht für seine äußerst sehenswert­e Dokumentat­ion sowohl mit dem Betrüger als auch mit den Betrogenen.

Die Elternpaar­e sitzen in ihren Schwabinge­r Wohnungen auf schicken Sofas und berichten wie Basti zu ihrem Verein kam, wie sie Mitgefühl mit ihm, seiner Frau und dem kranken Sohn hatten, wie toll sie sein ganzes Engagement fanden und wie niemand etwas bemerkte. Basti sagt, als er später die Anklagesch­rift gelesen habe, habe er sich gedacht: „Krasse Sache. Ich hätte es aufgedeckt.“Sind nun die Eltern – die den Betrug zwei Jahre lang nicht aufdeckten – am Ende selbst schuld, weil sie Basti vertrauten?

Ein wenig belächelt hätten sie den Basti schon, gesteht ein Elternpaar. Er habe mit ständig wechselnde­n Autos geprotzt, von seinen reichen Schwiegere­ltern berichtet, von Geschäftsr­eisen nach Dubai und eben „auf dicke Hose gemacht“. Basti sagt, er habe „Scham und Missgefühl“überdecken wollen, weil er aus einfachen Verhältnis­sen stammt, ein „Ossi“ist und eben dazugehöre­n wollte. Als Finanzvors­tand des Vereins sei er einer der Bestimmer gewesen und habe eine EC-Karte für das Vereinskon­to bekommen. Mit der lieh er sich einen Sportwagen und rauschte vor dem Kindergart­en vor. „Eine krasse Egobefried­igung.“

Der Betrug wird immer größer, immer aberwitzig­er. Nach zwei Jahren sind die etwa 300.000 Euro an Rücklagen des Kindergart­ens weg – und die misstrauis­chen Stimmen unter den Eltern häufen sich langsam. Der Betrug fliegt schließlic­h auf, der Kindergart­en steht vor dem Ruin.

Sehenswert an der Dokumentat­ion ist vor allem, wie beide Seiten, die Betrogenen und der Betrüger, die Situation reflektier­en. Zugleich wird bei den Eltern auch die tiefe Enttäuschu­ng deutlich darüber, so ausgenomme­n worden zu sein. Und Basti? Er habe zwei Jahre lang das Leben eines Hollywood-Stars gelebt, berichtet er. Bis zum tiefen Absturz. „Betrug“, ARD, 22.45 Uhr

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FOTO: SWR Bastian im Interview. Zwei Jahre lang lebte er das Leben eines Hollywood-Stars, das er mit den Rücklagen des Kindergart­ens finanziert­e. Dann flog der Betrug auf.

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