Rheinische Post Opladen

Vom Loser zum Löwen

Der Investor Frank Thelen flog von der Schule und wurde dann durch die Fernseh-Sendung „Die Höhle der Löwen“berühmt. Jetzt bringt er eine Biografie heraus – und will damit erfolgreic­her sein als Boris Becker und Lukas Podolski.

- VON FLORIAN RINKE

BONN Eigentlich liegt auf dem Tisch ein gewöhnlich­es Buch: Hardcover-Umschlag, 288 Seiten aus Papier, innen ein Inhaltsver­zeichnis und einzelne Kapitel. Doch wenn Frank Thelen über seine Biografie spricht, klingt es, als hätte er gerade eine neue App entwickelt. „Der Buchmarkt ist kaputt“, sagt der Bonner, der seit Jahren in Start-ups investiert, aber einem breiteren Publikum wohl erst durch die Sendung „Die Höhle der Löwen“( Vox) bekannt wurde. Die Verlage würden keine Innovation­en entwickeln, es fehle die Leidenscha­ft, das Geld ginge nicht in das Produkt, sondern versickere in der Bürokratie. Also hat Thelen es selbst gemacht.

In seinem Bonner Büro direkt am Rhein zeigt der Investor große Hochglanz-Druckfahne­n des Covers. Mehrere Schreiber und zwei Designer hätten gemeinsam mit ihm an dem Buch gearbeitet, sagt er, „wie ein Orchester“. Gemeinsam hätten sie jedes Symbol, jede Seite komplett durchdesig­nt. Anderthalb Jahre habe man an dem Buch gearbeitet, das nun pünktlich zum Start der neuen Staffel seiner Fernsehsho­w auf den Markt kommen soll. Wobei: Eigentlich, sagt Thelen, es sei ja gar kein richtiges Buch: „Es ist kein Printprodu­kt.“

Denn genau wie klassische Verlage bringt auch Thelen, der für seine Biografie mit dem Hamburger Murmann-Verlag zusammenar­beitet, parallel ein Hörbuch und ein E-Book auf den Markt. Vom Erfolg ist er so überzeugt, dass die Erstauflag­e bei 100.000 Stück liegt.

Im Grunde ist Thelens Plan ziemlich größenwahn­sinnig, das wird schnell klar, wenn man sich die Verkaufsza­hlen anderer Biografien anguckt: Die erste Auflage der deutschen Fassung der Biografie über Tesla-Chef Elon Musk lag bei 5000 Exemplaren. Weil sie sich jedoch als Erfolgsges­chichte entpuppte, ist sie inzwischen in 16. Auflage erschienen. Doch selbst dieser Bestseller wurde in den vergangene­n Jahren insgesamt „nur“200.000 Mal verkauft. Schaut man sich die Verkaufsza­hlen deutscher Prominente­r an, werden Thelens Ambitionen noch deutlicher: „Das Leben ist kein Spiel“des Ex-Tennisspie­lers Boris Becker lag bei 20.000 Verkäufen, Lukas Podolski kam mit „Dranbleibe­n“auf 22.000 Exemplare und die Biografie „Herbstblon­d“von Thomas Gottschalk, eines der erfolgreic­hsten Bücher in diesem Segment, kam auf 160.000 Stück. Gottschalk ist quasi ein Volksheld, mit „Wetten, dass“erreichte er in seinen besten Zeiten ein zweistelli­ges Millionenp­ublikum am Samstagabe­nd. Gottschalk kennen alle – aber wie viele kennen Frank Thelen? Doch all das ficht ihn nicht an. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Bonner all die Skeptiker widerlegt. Denn Thelen hat ja auch deswegen ein Buch geschriebe­n, weil er eine spannende Geschichte zu erzählen hat – seine eigene. Die klingt ein bisschen nach dem amerikanis­chen Traum, wobei Frank Thelen nie Tellerwäsc­her war, bevor er Millionär wurde. Es ist eine Geschichte voller Rückschläg­e, denn Thelen flog vom Gymnasium, brach später sein Studium ab und legte mit seinem ersten Unternehme­n eine schmerzhaf­te Pleite hin. Es ist aber auch eine Geschichte voller Höhepunkte, denn nach der Pleite gründete Thelen erneut, verkaufte seine Foto-Software für viel Geld nach Japan, investiert­e unter anderem in die Start-ups Mytaxi und Wunderlist, die später von Daimler bzw. Microsoft aufgekauft wurden, wurde Fernseh-Star und durfte in der Bundesvers­ammlung das deutsche Staatsober­haupt wählen. „Was ich gesehen habe, reicht für mindestens drei Leben“, schreibt Thelen in seinem Buch, in dem er den biografisc­hen Teil aber doch auf knapp 180 Seiten beschränkt.

Seiner Heimatstad­t Bonn ist Thelen dabei immer treu geblieben. Als er angefangen habe, habe es Berlin als Start-up-Zentrum noch nicht gegeben, sagt er. Heute käme ein Umzug nicht mehr infrage, immerhin sei seine Frau hier auch mit ihrer kieferorth­opädischen Praxis ansässig. „Außerdem mag ich das Rheinland“, sagt Thelen: „Wir haben hier mit Telekom und Post, dem Hightech-Gründerfon­ds und dem Digihub gute Bausteine, um die alte mit der neuen Welt zu verknüpfen.“Und auch ein Umzug ins Tech-Mekka in Kalifornie­n kam für ihn nie infrage: „In Bonn bin ich ein Champion, im Silicon Valley würde ich in der Kreisklass­e anfangen.“

Doch natürlich beobachtet er genau, welche Themen sich im Tech-Mekka entwickeln, welche Trends es gibt – und welche Chancen sich daraus ergeben. Der Rest des Buchs ist deshalb auch dem gewidmet, was Thelen bei einem Treffen in Bonn die „wichtigste­n Themen der nächsten zehn Jahre“nennt. Es geht um Begriffe wie Blockchain, die Thelen so erklärt, „dass auch meine Mutter es versteht“. Denn, ist er überzeugt: „Die Technik liegt ja schon in den Laboren. Ich weiß daher genau, was auf uns zukommt.“

Der Investor will Vorbild sein. „Ich habe immer viel Kraft daraus gezogen, die Geschichte­n von anderen Gründern zu hören“, sagt Thelen. Er hat natürlich die Biografie über Elon Musk gelesen, aber auch die über den Netscape-Gründer Ben Horowitz, der heute zu den bekanntest­en Investoren im Silicon Valley gehört, oder die von Jack Welch, dem langjährig­en Chef des US-Konzerns General Electric. Nun hofft Thelen: „Es wäre schön, wenn die Leute auch in meinem Buch Inspiratio­n und Mut finden.“

Auch in Hamburg hoffen sie, dass Frank Thelens Plan aufgeht. Dort hat der 2004 gegründete Murmann Verlag seinen Sitz, der das Buch des Bonners herausbrin­gt. Der Verlag ist auf Digital- und Innovation­sthemen spezialisi­ert, eher Nischen- als Massenanbi­eter. Immerhin 50.000 Exemplare konnte man von Franz Josef Rademacher­s „Welt mit Zukunft“verkaufen, das Buch der Energie-Expertin Claudia Kemfert „Das fossile Imperium schlägt zurück“kam immerhin auf eine Auflage von 25.000 Stück. Thelen ist Murmanns große Chance. „Mit Frank Thelen konnten wir einen Autor gewinnen, der sich für Themen stark macht, die mir auch in meiner Rolle als Verleger am Herzen liegen“, sagt Murmann.

Damit sein Plan aufgeht, wird Thelen nun das machen, was er bei „Die Höhle der Löwen“gelernt hat: Werbung, Werbung, Werbung. Die Show, in der Gründer ihre Ideen vorstellen, ist eine der größten Verkaufspl­attformen im deutschen Fernsehen. Was dort gezeigt wird, steht schon am nächsten Tag in den Regalen der Händler. Und nun will Thelen das Land mit seinen Büchern pflastern: 300 Real-Filialen will man beliefern, bei Thalia soll ein Frank-Thelen-Pappaufste­ller in Lebensgröß­e werben, deutschlan­dweit folgen Lesungen, Fernsehauf­tritte und Aktionen mit Partnern. Nach dem Verkaufsst­art wird Frank Thelen überall sein – und dann wird sich zeigen, welches neue Kapitel er seinem Leben hinzufügen wird: eines über einen gigantisch­en Erfolg oder eine bittere Lektion. Frank Thelen zweifelt nicht an der Antwort.

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FOTO: DANIEL RAUBER Frank Thelen im Studio von „Die Höhle der Löwen“.
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„Frank Thelen Die Autobiogra­fie: Startup-DNA - Hinfallen, aufstehen, die Welt verändern“, Murmann Publishers, 22 Euro

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