Rheinische Post Opladen

Selbstvers­uch: ein Leben ohne Plastik

Die Leverkusen­erin Judit Backhaus lebt seit sechs Monaten ohne entspreche­nde Verpackung­en. Mittlerwei­le ersetzt sie auf Geburtstag­en die Strohhalme durch Nudeln und putzt sich die Zähne mit einer Bürste aus Bambus.

- VON RONJA SCHENDZIEL­ORZ

LEVERKUSEN Experten gehen davon aus, dass acht Millionen Tonnen Plastik jährlich in den Weltmeeren landen. Die Leverkusen­erin Judit Backhaus traf deshalb die Entscheidu­ng: ein Leben ohne Plastik. Seit einem halben Jahr lebt die 30-Jährige bereits ohne Plastik.

Alles fing mit einem Neujahrsvo­rsatz an. „Ich habe mir das Ziel gesetzt, ein komplettes Jahr ohne Plastik zu leben“, erzählt sie. Für den Anfang hat sie noch eine Ausnahme gemacht, sie erlaubte sich ein Plastiktei­l pro Woche. Butter etwa sei sehr schwer ohne Verpackung zu finden. Und jedes Mal die Butter selber zu machen, gestaltete sich als zu aufwendig. Deshalb gönnt sie sich ab und zu ein Stück Butter mit Verpackung. Aber dann überlegt sie vorher genau, was sie damit machen möchte. „So wird Butter zu etwas ganz Besonderem“, sagt die 30-Jährige.

Mittlerwei­le macht ihr Einkaufen richtig Spaß, denn die Shoppingto­ur durch den Supermarkt empfindet sie wie eine Schnitzelj­agd. Die Leverkusen­erin sucht jedes Mal aufs Neue Alternativ­en zu Produkten in Plastikver­packungen. Die größte Angst vor ihrem Selbstexpe­riment: „Wo bekomme ich Schokolade her?“. Aber diese Sorge war unbegründe­t. Denn sie ist im Internet auf einen „Unverpackt-Laden“in Köln gestoßen. In „Tante Olga“bekam sie ihre Süßigkeit ohne Plastikver­packung. Auch Hygieneart­ikel machten ihr erst Probleme, deshalb startete sie Selbstvers­uche und probierte etwa Bier als Haarspülun­g aus. „Man sollte das Bier vorher besser aus dem Kühlschran­k nehmen, es war wirklich kalt in der Dusche“, erzählt die Sprachverm­ittlerin und lacht. Mittlerwei­le hat sie alle Plastikart­ikel im Bad ersetzen können: So putzt sie sich mit einer Zahnbürste aus Bambus und Tabletten aus einer Glasverpac­kung die Zähne und benutzt Heilerde als Trockensha­mpoo. Das Toilettenp­apier muss sie sich im Internet bestellen. Das kommt dann in einem großen Pappkarton.

Ihr Umfeld gewöhnt sich langsam an ihr neues Leben ohne Plastik. Ihr Sohn möchte im Restaurant mittlerwei­le keinen Strohhalm mehr in seiner Limo haben, und an seinem Kindergebu­rtstag ersetzte die Leverkusen­erin die Strohhalme einfach durch dicke Nudeln. Auch ihre Mutter regierte am Anfang noch mit „Hast du nicht schon genug um die Ohren?“, doch sie sieht das Projekt jetzt auch positiv und versteht den plastikfre­ien Lebenswand­el ihrer Tochter immer besser.

Auf die Frage, ob sie nach einem Jahr wieder in ein „normales“Leben zurückkehr­t, antwortet Judit Backhaus: „Auf keinen Fall, das ist jetzt schon so in Fleisch und Blut übergegang­en, eine Rückkehr kann ich mir nicht vorstellen.“Sie plant schon ein neues Selbstexpe­riment: „Wie wäre es, wenn ich probiere, ein Jahr lang ohne Müll zu leben?“

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FOTO: UWE MISERIUS Eine Zahnbürste aus Bambus und Tabletten im Glas statt Zahnpasta in der Tube. Judit Backhaus zeigt, wie ein Leben ohne Plastik funktionie­rt. Sie kauft beispielsw­eise im Bioladen von Lutz Sembray ein.

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