Kritik: Zu viele befristete Stellen für Berufstarter
Wenn Azubis mit der Lehre fertig sind, erwartet sie oft nur eine befristete Stelle, kritisiert die Gewerkschaft NGG.
LEVERKUSEN Den Ausbildungsvertrag in der Tasche und vielleicht schon die ersten drei Wochen im neuen Beruf erlebt zu haben – das fühlt sich gut an. Aber was kommt, wenn die zweieinhalb, drei, dreieinhalb Jahre Lehre zu Ende und der Gesellenbrief in der Tasche steckt? Oft zu wenig, sagt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). „In Leverkusen können sich derzeit rund 610 Neu-Azubis über eine Lehrstelle freuen. So viele versorgte Bewerber zählte die Arbeitsagentur zum Start des Ausbildungsjahres“, meldet sie und fordert bessere Job-Perspektiven für die Berufseinsteiger. Eine Hürde nämlich sei der Trend zur Befristung. Die NGG hat dafür einen griffigen Titel: „Arbeitsplätze mit Verfallsdatum.“
Solche, da zitiert die Gewerkschaft eine Studie des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB), seien in der Nahrungs- und Genussmittelbranche besonders verbreitet. „Hier sind bundesweit knapp 54 Prozent aller Übernahmen befristet. Ähnlich sieht es bei den Neueinstellungen aus: Hier zählt die Branche mit einer Befristungsquote von 73 Prozent zu den Spitzenreitern. Auch in Hotels und Gaststätten sind diese Arbeitsverträge zum Berufsstart gang und gäbe. Dort sind laut IAB 35 Prozent aller Übernahmen befristet.“
Mohamed Boudih, Geschäftsführer der NGG-Region Köln, betont, es könne nicht sein, dass Betriebe trotz Hochkonjunktur in vielen Branchen so stark auf Befristungen setzten. Mit solchen „Zitter-Verträgen“hätten Berufsanfänger keine Chance, eine Familie zu gründen oder einen Kredit zu bekommen. Auch die amtliche Statistik scheint der NGG Recht darin zu geben. In NRW waren 2017 rund 17 Prozent der 20- bis 30-Jährigen befristet beschäftigt – die Azubis nicht mitgerechnet. Die NGG beruft sich bei den Zahlen auf den aktuellen Mikrozensus. Der besage weiterhin: Insgesamt 643.000 Nordrhein-Westfalen haben lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag.
Boudih unterstreicht, Befristungen sollten die Ausnahme und nicht die Regel sein. Die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vorgesehene Vereinbarung, um „sachgrundlose Befristungen“einzudämmen, hält er für nicht ausreichend. Im Koalitionsvertrag von Februar ist vereinbart: „Wir wollen den Missbrauch bei den Befristungen abschaffen. Deshalb dürfen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. Bei Überschreiten dieser Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen... Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist nur noch für die Dauer von 18 statt bislang von 24 Monaten zulässig, bis zu dieser Gesamtdauer ist auch nur noch eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung möglich.“Der Gewerkschafter sagt zum vorgesehenen Geltungsbereich ab 75 Mitarbeiter: „Ein Großteil der Beschäftigten im Gastgewerbe und im Lebensmittelhandwerk hätte davon praktisch nichts.“