Wie die Dürre die Preise treibt
Einer der trockensten Sommer aller Zeiten geht zu Ende. Die Bauern ächzen unter Ernteausfällen, jetzt kommen die Folgen auch im Supermarkt an. Vor allem für Gurken und Kartoffeln müssen Verbraucher mehr zahlen.
DÜSSELDORF Es gab Zeiten, da hat ein trockener Sommer ganze Zivilisationen dahingerafft. Etwa die Maya. Eine mehrjährige Dürre hat im 10. Jahrhundert die Landwirtschaft in Südamerika nahezu stillgelegt, Flüsse trockneten aus, das Volk verhungerte. 500 Jahre später war Europa dran. Luther schrieb 1540 in einem Brief über den „Teufel draußen“. Zehn Monate gab es keinen Regen. Die Ernte fiel aus, Bauern mussten ihr Vieh notschlachten, irgendwann tranken die Leute nur noch Wein, weil die Brunnen versiegten. Tausende starben.
Solche Szenarien sind heute in Europa glücklicherweise vorbei. Bleibt der Sommer trocken – so wie in diesem Jahr – leiden die Landwirte aber nach wie vor. „Wir haben schon einiges erlebt, aber 2018 ist ein schweres Jahr“, sagt Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands. Auch bundesweit ist die Lage katastrophal. „In einigen Regionen haben wir Ertragsverluste zwischen 50 und 70 Prozent bis hin zu Totalausfällen. Besonders betroffen sind die ostdeutschen Bundesländer und der Norden“, sagt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes.
Das merken auch die Kunden im Supermarkt. In Dürrejahren steigen die Preise meist kurz nach der Ernte. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, mussten Verbraucher Ende August 2,5 Prozent mehr für Lebensmittel ausgeben als im August 2017. Die Hitze wirkt sich allerdings je nach Produkt unterschiedlich aus, verschiedene Obst- und Gemüsesorten profitieren sogar von den heißen Tagen. Bei Milch und Fleisch werden kommende Lieferverträge erst zeigen, wie sich die Preise entwickeln.
Der Deutsche Bauernverband teilt mit: „Alles, was nicht künstlich bewässert werden kann, leidet erfahrungsgemäß unter großen Ausfällen.“In diesem Jahr hat es deshalb besonders die Gurke schlimm erwischt. Kostete das Stück vor einem Jahr noch 48 Cent, müssen Verbraucher jetzt 1,14 Euro pro Gurke zahlen. Das ist ein Anstieg um 140 Prozent. „Die Dürre allein kann solche Preisunterschiede allerdings nicht erklären“, sagt Thomas Els, Analyst der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI), die deutschlandweit die Preise für Nahrungsmittel beobachtet. „Es handelt sich hierbei nur um eine Momentaufnahme“. Würde man den Zeitraum nur leicht verschieben, läge der Anstieg nur noch bei 50 Prozent.
Dennoch: Gemüse und Salat sind teurer geworden. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Preis für Blumenkohl um 73,7 Prozent, für Zwiebeln um 56,2 Prozent und Salat ist jetzt 63,9 Prozent teurer als im September 2017. „Bei Kartoffeln haben wir Ernteeinbußen von 50 Prozent. Die Knollen sind auch kleiner, deshalb werden die Pommes im nächsten Jahr kürzer sein“, sagt Landwirt Conzen. Zu kleine Kartoffeln werden nicht zu Fritten verarbeitet, die Branche rechnet deshalb mit Preissteigerungen von bis zu 40 Prozent. Anders sieht es bei Äpfel und Pflaumen aus. Viele Bäume kamen gut durch die Dürre. Conzen: „Da gibt es nur ein leichtes Minus.“Wegen einer schlechten Ernte im vergangenen Jahr könnten die Obstpreise in den kommenden Monaten sogar sinken. Profitiert von den heißen Tagen hat die Zucchini, die unter großer Hitze besser wächst. Der Preis fiel von 1,48 Euro auf 1,16 Euro.
Bei Milch und Fleisch haben sich die Preise bislang noch kaum bewegt, teilt der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) mit. Zwar erlebe die Branche gerade ein „desaströses Jahr“, die Viehhalter seien aber noch an die geltenden Abnahmeverträge gebunden. „Die Milchmenge geht zurück, weil viele Bauern ihre Tiere nicht mehr satt bekommen“, sagt ein BDM-Sprecher. Der Milchpreis im Supermarkt beträgt aktuell 62 Cent pro Liter, vor einem Jahr waren es 64 Cent.
Wie sich die Preise im Herbst und Winter entwickeln werden, ist indes unklar. „Solche Ausblicke sind schwer, seriöse Prognosen hängen von vielen Faktoren ab“, sagt AMI-Experte Els. Am Ende wird es auch darum gehen, wie schnell die Nothilfen der Bundesregierung bei den Bauern ankommen.