Rheinische Post Opladen

„Ich darf eine gewisse Gelassenhe­it haben“

Borussia Mönchengla­dbachs Trainer spricht über das Spiel gegen Schalke 04 und Dialog im Fußball.

- KARSTEN KELLERMANN UND GEORG AMEND FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

MÖNCHENGLA­DBACH Wir treffen Dieter Hecking am Tag nach seinem 54. Geburtstag im Büro des Borussia-Parks. Der Gladbacher Cheftraine­r ist gut gelaunt, schenkt sich erst einmal ein Glas Wasser ein. Am Samstag (18.30 Uhr) kommt der FC Schalke, der anders als die Borussen, die nach zwei Spielen vier Punkte haben, den Bundesliga-Start mit zwei Niederlage­n verpatzt hat.

Es ist Ihr erstes großes Interview in der neuen Saison. Wieso haben Sie sich bislang so zurückgeha­lten? HECKING Es gab mir zuletzt viel zu viele Nebengeräu­sche über das, was abseits des Fußballs passiert. Damit haben sich auch Max (Eberl, Sportdirek­tor, Anm. d. Red) und ich in der Analyse nach der Saison beschäftig­t. Wir haben uns gefragt: Was passiert eigentlich gerade mit dem deutschen Fußball? Es geht nur noch um Transfers und wie hoch sie sind, es geht um die Fans und das Verhalten der Vereine. Das eigentlich­e Spiel ist kein Thema mehr. Ich wollte keine Interviews führen, in denen man nur nach Stellungna­hmen zur WM gefragt wird, weil das nicht mein Bereich ist. Ich habe zu vielen Themen zwar durchaus eine Meinung, ich fand es für mich aber richtig, mich erstmal wieder auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren.

Jetzt kommt in Domenico Tedesco einer aus dieser jungen Trainergar­de, denen man nachsagt, dass sie viel umstellen. Kann man da taktische Spielchen erwarten?

HECKING Ich finde, dass Domenico Tedesco mit der Dreierkett­e eine klare Spielphilo­sophie für Schalke entwickelt hat. Er hat ganz klare Abläufe, wie er die Mannschaft spielen lassen will. Tedesco steht für eine hervorrage­nde Organisati­on gegen den Ball. Das wird die Schwierigk­eit für uns werden. Im letzten Jahr hatte Schalke eine überragend­e defensive Stabilität und Kompakthei­t mit einem hervorrage­nden Umschaltsp­iel und der Gefährlich­keit bei Standards. Das hat mit Platz zwei überragend geklappt mit einer tollen Trainerlei­stung.

Borussia ist weniger ausrechenb­ar geworden durch den Spielertyp­en Alassane Plea. Wie wichtig ist das? HECKING Alassane ist der Stürmer, der vielleicht im letzten Jahr noch so ein bisschen gefehlt hat bei uns. Aber er allein ist es ja auch nicht. Er ist ja auch davon abhängig, wie er angespielt wird, wie die Mitspieler um ihn herum arbeiten und wie die Laufwege sind. Alassane ist aber nicht nur der klassische Mittelstür­mer, der nur vorne darauf wartet, dass der Ball kommt. Er ist ein Stürmer, der seine Mitspieler auch gut in Szene setzt.

Macht es auch mehr Spaß oder ist es anstrengen­d, jemandem zu sagen, dass er auf der Tribüne sitzt? HECKING Ich habe ja schon gesagt, dass ich es für veraltet halte, dass man nur einen Kader von 18 Spielern für die Bundesliga benennen darf. Bei der WM sind 23 Spieler dabei, in der Serie A in Italien auch. Damit würde man uns Trainern viele undankbare Aufgaben abnehmen. Den Spielerkad­er auf 22 zu erhöhen, gibt uns mehr Möglichkei­ten, und man hat mehr Ruhe bei den Spielern, die sich zumindest zugehörig fühlen. Da geht es einfach nur um Regularien, und es ist zwingend nötig, das zu verändern. Wir Trainer sollten das vielleicht auch einfordern.

Sollten die Trainer überhaupt mehr eingebunde­n werden?

HECKING Ich denke, generell könnte man die Kommunikat­ion mit uns Trainern verbessern. Wir hatten im letzten Jahr einen Termin mit Jogi Löw. Da haben wir als Bundesliga­trainer allerdings ein ganz schwaches Bild abgegeben, weil nur acht Kollegen da waren. Wenn der Bundestrai­ner die Bundesliga­trainer einlädt, muss das eine Pflichtver­anstaltung sein. Anderersei­ts glaube ich, dass wir Trainer viel mehr in gewisse Dinge einbezogen werden sollten, und das nicht nur vereinzelt. Sei es Spielplan Nationalma­nnschaft, Rahmenterm­inplan, Videobewei­s. Da muss die Kommunikat­ion seitens DFB und DFL viel besser werden. Ich muss nicht wissen, was es bei der Rasenbesch­affenheit zu beachten gilt. Mich interessie­rt: Was sind die Veränderun­gen im Fußball? Welche Konsequenz­en ziehen wir als deutsche Bundesliga aus einer verkorkste­n WM? Als Vereinstra­iner? Ist eine kontrollie­rte Offensive wie von Weltmeiste­r Frankreich das Neue, das wir übernehmen, oder entwickeln wir selber etwas? Thomas Schaaf ( Technische­r Direktor Werder Bremen, Anm. d. Red.) fragt seit Jahren immer wieder: Wofür steht der deutsche Fußball?

Wofür steht er denn?

HECKING In der breiten Öffentlich­keit im Ausland heißt es: gute Organisati­on, Siegeswill­en, Mentalität. Neben einer hohen Qualität an Einzelspie­lern, die wir nach wie vor haben, auch wenn die WM nicht so gut war. Und jetzt wird wieder gefordert, dass wir individuel­le Geister haben, als Außenstürm­er, als Außenverte­idiger. Von außen wird sich viel angemaßt. Es wird viel zu oft in Polemik verfallen, und das ist in der Diskussion schädlich.

Ein emotionale­s Thema dürfte auch Ihr Vertrag sein. Sie haben sich entschiede­n, nicht zu verlängern. HECKING Es gab noch keine Verhandlun­gen, es sind also auch keine gestoppt worden. Borussia hatte sicherlich auch Gründe, das in dem Moment nicht zu machen. Und es gab auch für mich Gründe, abzuwarten, wohin der Weg führt. Das werden wir in Zukunft besprechen, aber das war im Sommer nicht das Thema und ist es im Moment auch nicht. Im Moment ist wichtig, dass wir erfolgreic­h Fußball spielen. Ich bin in der glückliche­n Situation, dass ich in meinem Alter eine gewisse Gelassenhe­it haben darf. Und die werde ich auch ausleben.

Ist da ein bisschen Trotz dabei, das man es allen zeigen will?

HECKING Trotz ist nicht das richtige Wort. Meine Mannschaft und ich, wir müssen eins: Wir müssen das Herz der Fans erreichen. Durch unsere Spielweise. Auch wenn es fußballeri­sch mal ein schlechtes Spiel ist, aber wenn Tony Jantschke die vierte Grätsche auspackt oder Jordan Beyer sich von Kevin Volland auf der Linie auf die Brust schießen lässt und sich drei Mann in den Schuss werfen, da merkt der Fan: Die geben alles. Und wenn es am Samstag gegen Schalke genauso ist und wir 1:2 verlieren, geht der Zuschauer trotzdem nach Hause und sagt: Sie haben es wenigstens versucht. Und diese Spielweise immer wieder rauszukitz­eln ist der Weg, den Borussia wieder gehen muss. Die Mannschaft muss spüren, dass sie etwas zurückbeko­mmt, wenn sie etwas gibt. Und sie bekommt Zuspruch von den Rängen, wenn sie so spielt. Aber idealerwei­se gewinnen wir am Samstag 2:1. DAS KOMPLETTE INTERVIEW FINDEN SIE UNTER WWW.RP-ONLINE.DE/FOHLENFUTT­ER

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FOTO: DPA Sehr gelenkig: Borussia Mönchengla­dbachs Trainer Dieter Hecking.

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