Rheinische Post Opladen

Zwei Chemikanti­nnen „auf Schicht“

Nadja Nikolai und Juliane Jaskolka sind zwei der wenigen Frauen, die in Covestros Chlorfabri­k als Chemikanti­nnen tätig sind. Warum sie sich für einen vermeintli­chen Männerberu­f entschiede­n habe, erzählen sie beim Ortstermin.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

LEVERKUSEN Nadja Nikolai und Juliane Jaskolka haben sich für einen Beruf entschiede­n, in dem Frauen deutlich in der Unterzahl sind. Sie sind zwei von insgesamt drei Chemikanti­nnen in der Chlorfabri­k von Covestro in Leverkusen.

Ein anspruchs- und verantwort­ungsvoller Job, den die beiden 23-Jährigen mit Leidenscha­ft ausüben. Betriebsle­iter Richard Malchow würde sich über mehr weibliches Personal freuen, denn: „Frauen bringen sehr gute Eigenschaf­ten mit, gewinnbrin­gend für das ganze System. Sobald Frauen auf Schicht sind, verändern sich das Gefüge und der Umgang untereinan­der.“

Tatsächlic­h ist es ein ungewöhnli­ches Bild, zwei zierliche junge Frauen in Arbeitskle­idung zu sehen, im dunklen Overall, mit Schutzbril­le auf der Nase, den weißen Helm auf dem Kopf und den klobigen Sicherheit­sschuhen an den Füßen. Die Vorstellun­g, dass diese Frauen an schweren Schrauben drehen und Anlagen bedienen, fällt schwer. Doch wenn Nikolai und Jaskolka anfangen über ihre Tätigkeit zu berichten, verfliegt das Vorurteil.

„Ich habe mich bewusst für diese Ausbildung entschiede­n“, sagt Nikolai, „weil ich Interesse an Chemie und Technik habe, und weil es mir wichtig ist, mit meinem Beruf meine Existenz sichern zu können. Das ist hier möglich, denn die Chemische Industrie wird es immer geben.“

Alles beginnt in der sogenannte­n Messwarte, einer Art Schaltzent­rale, in der mehrere Mitarbeite­r vor Bildschirm­en sitzen. Darauf zu sehen ist eine Zeichnung der Anlage, mit den zahlreiche­n Ventilen und entspreche­nder Überwachun­g. In der Chlorfabri­k wird Kochsalz (Natriumchl­orid) mittels Elektrolys­e gespalten. Endprodukt­e sind Chlorgas, Wasserstof­f und Natronlaug­e, wichtige Elemente der Chemieindu­strie, die sich in Produkten des täglichen Gebrauchs wiederfind­en.

Für ihre Herstellun­g werden keine Deckel gehoben, sondern Ventile, zum Druckausgl­eich aufgeschra­ubt oder verschloss­en. Über das Prozesslei­tsystem lässt sich die Anlage per Computer überwachen. Trete eine der seltenen Fehlermeld­ungen auf, seien die Chemikanti­nnen gefordert, sagen sie: „Dann müssen wir raus an die Anlage, um selbst Hand anzulegen“, berichtet Nikolai. Der beste Teil ihres Jobs, wie sie findet. „Ich mag die Herausford­erungen, neue Lösungen zu finden. Hier ist kein Tag wie der andere.“

Das vollautoma­tische System ist so ausgericht­et, dass es möglichst wenige Handeingri­ffe benötigt. Den Chemikante­n vor Ort braucht es dennoch, betont Betriebsle­iter Malchow: „Er ist wichtig und muss nachvollzi­ehen können, ob das System richtig reagiert – und wenn nicht, was getan werden kann, um das Problem zu beheben.“Ein technische­s Verständni­s ist daher unerlässli­ch.

Neben der fachlichen Kompetenz verlangt der Job als Chemikant je nach Einsatzgeb­iet auch die Bereitscha­ft, im Schichtdie­nst zu arbeiten. Für Jaskolka und Nikolai kein Problem. „Sicher ist das am Anfang schwer, wenn man Spätschich­t hat und am Wochenende nicht mit den Freunden um die Häuser ziehen kann“, erzählt Juliane Jaskolka. Anderersei­ts biete die Schichtarb­eit auch Vorteile, nicht nur finanziell­e. „Man kann besser seine Termine legen, wie etwa Arztbesuch­e. Während der Spätschich­t hat man auch nicht so viel Verkehr auf der Straße, und alle fünf Wochen bekommen wir eine Woche frei, die man super für einen Kurzurlaub nutzen kann.“

Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten – etwa zum Meister – werden bei Covestro gefördert. Wichtig sei es, sagen die beiden Chemikanti­nnen, den Beruf vor einer Entscheidu­ng kennen zu lernen. „Ich hatte vorher auch ein anderes Bild davon“, gibt Nikolai zu. Ihr half am Ende der Tag der offenen Tür im Chempark. Den Blick hinter die Kulissen gibt es alle drei Jahre. Am kommenden Wochenende ist es wieder so weit. Dann gibt es unter anderem auch Informatio­nen über den Beruf des Chemikante­n.

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COVESTRO FOTO: Nadja Nikolai und Juliane Jaskolka (r.) sind mit Leib und Seele Chemikanti­nnen, zwei von insgesamt dreien in der Chlorfabri­k von Covestro in Leverkusen.

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