Rheinische Post Opladen

„Wir wollen kein Trendviert­el sein“

Luise Carson lebt seit mehr als 50 Jahren in Flingern-Süd. Michael Scheibenre­iter ist vor kurzem in den Stadtteil gezogen. Das sagen eine Alteingese­ssene und ein Neuzugezog­ener über ihr Flingern.

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Keine Sekunde muss Luise Carson nachdenken, wenn sie nach dem Tag ihres Umzugs in den Stadtteil gefragt wird: „1. August 1964“, sagt die 81-Jährige, die damals aus Unterrath mit ihren beiden Söhnen in Flingern-Süd eine Wohnung fand, Arbeit und Betreuungs­plätze – alles nur ein paar Minuten von ihrer Wohnung entfernt. Ihre Tante lebte damals in Flingern-Süd, an der Behrenstra­ße, „auf der anderen Seite der Kettwiger“, erinnert sich Carson, die immer dachte: „Da will ich nicht beerdigt sein.“Bis sie die andere Seite kennenlern­te, die Gerresheim­er und die Albertstra­ße.

Bei der Diakonie arbeitete Luise Carson, von ihrem Fenster aus konnte sie die Einrichtun­g sehen und den Umbau zum Campus mitverfolg­en. „Das war eine Veränderun­g für den Stadtteil“, sagt sie. Viel Positives ist passiert in Flingern-Süd, die Freizeitei­nrichtung Icklack wurde eröffnet, Langer- und Gerresheim­er Straße sind modernisie­rt worden, „die ÖPNV-Anbindung ist erstklassi­g“, sagt Carson. Aber sie vermisst die Nahversorg­ung, die kleinen Tante-Emma-Läden, „Bäcker, Schuster und Drogerie“. Das sei anders gewesen früher, sagt die 81-Jährige, die auf ihren Stapel Foto-Umschläge von Schlecker zeigt. Ob die Automeile eine Bereicheru­ng für den Stadtteil ist, das kann Carson nicht beurteilen: „Mir konnte nie einer sagen, wie viele Bewohner aus Flingern-Süd dort Arbeit gefunden haben“, meint die 81-Jährige, die an ihrem Flingern-Süd vor allem die Menschen schätzt, die aus aller Welt und aus allen Schichten kommen, die sich kennen und grüßen, „das Quartier hier ist unser Dorf“, sagt Carson. Und das soll auch so bleiben: „Wir wollen kein Trendviert­el sein, wir wollen hier keine Hippisieru­ng.“Nicole Kampe

Wenn Michael Scheibenre­iter Freunde zu Besuch hat, geht es in der Regel zum Portugiese­n. Flingern-Süd ist zwar klein, aber verfügt sogar über drei gute portugiesi­sche Restaurant­s: Der Clube Portugues und das Frango Portugues an der Erkrather Straße und das Luso an der Behrenstra­ße – an der Frage, welcher Laden qualitativ die Nase vorn hat, scheiden sich die Geister.

Seit Februar wohnt der Komponist und Musikprodu­zent an der Ruhrtalstr­aße. Er ist in Düsseldorf schon rumgekomme­n, früher wohnte er mal in Flingern-Nord, dann in Eller – die Nähe zum Unterbache­r See vermisst er. An der neuen Heimat schätzt er vor allem zwei praktische Vorteile: „zentral und nicht so teuer.“Der 49-Jährige ist allerdings auch fasziniert von der kleinen Straße mit den hübschen Genossensc­haftshäuse­rn, die zwischen den großen Verkehrsac­hsen Erkrather Straße und Höherweg verläuft – und aus der man auf den mächtigen Schornstei­n des Stadtwerke-Kraftwerks blickt. „Trotz der Lage ist es erstaunlic­h ruhig“, sagt Scheibenre­iter. Die Nachbarsch­aft findet der Musiker sehr durchmisch­t – ganz anders als auf der Ackerstraß­e im Nordteil Flingerns, an der er einst gewohnt hat.

90 Prozent der Wege absolviert Scheibenre­iter mit dem Fahrrad – und findet es deshalb auch nicht tragisch, dass Flingern-Süd kein richtiges Zentrum hat und er oft in die umliegende­n Stadtteile fährt. „Das ist eben in erster Linie ein Gewerbegeb­iet.“

Ein Vergnügen sind die Fahrten allerdings nicht immer, weil auf die Radfahrer in der Verkehrspl­anung wenig geachtet wurde. „Man ist direkt in der Blechlawin­e“, sagt Scheibenre­iter – und würde sich wünschen, dass sichere und schnelle Achsen durch die Innenstadt geschaffen werden. Arne Lieb

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Michael Scheibenre­iter wohnt seit Februar an der Ruhrtalstr­aße und schätzt das Leben in einem zentralen Viertel.
 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Luise Carson lebt seit mehr als 50 Jahren in Flingern-Süd – und wollte auch nie von dort wegziehen.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Luise Carson lebt seit mehr als 50 Jahren in Flingern-Süd – und wollte auch nie von dort wegziehen.

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