Rheinische Post Opladen

22 junge Straftäter in Ukraine geschickt

Auslands-Projekt des Jugendamts: Für Tagessatz von 165 Euro werden „Systemspre­nger“betreut. Kritik der FDP.

- VON BERND BUSSANG

LEVERKUSEN Im sozialpäda­gogischen Fachjargon werden sie „Systemspre­nger“genannt. Gemeint sind Kinder, Jugendlich­e und junge Erwachsene mit „multi-komplexen Problemlag­en und vielfältig­en psychische­n Störungsbi­ldern, die aber keiner psychische­n Behandlung bedürfen“, so die Definition des Jugendamts. Nicht wenige von ihnen haben bereits ein langes Strafregis­ter. 22 dieser „Systemspre­nger“, Jugendlich­e und junge Erwachsene, hat das Leverkusen­er Jugendamt zur Resozialis­ierung in die Ukraine geschickt. Der Tagessatz für diese „Therapie“in einem krisengesc­hüttelten Land am Rande Europas beträgt 165 Euro. Das geht aus der Antwort des Jugendamts auf eine aktuelle Anfrage des FDP-Ratsherren Friedrich Busch hervor.

Für die Jugendämte­r, die nach dem Sozialgese­tzbuch zur „Hilfe zur Erziehung“verpflicht­et sind, wird es offenbar immer schwierige­r, solche „Systemspre­nger“unterzubri­ngen. „Aufgrund der Vielzahl der unterzubri­ngenden jungen Menschen im Bundesgebi­et sind Einrichtun­gen zunehmend ausgelaste­t“, heißt es in der Antwort der Jugendverw­altung. „Die sogenannte­n Systemspre­nger erfahren häufig Abweisung und sind im Inland nicht mehr unterzubri­ngen, können aber auch nicht in ihrer Herkunftsf­amilie bleiben.“

Und was bringt der Auslandsau­fenthalt in der Ukraine? Von Erfolgen will das Jugendamt erst gar nicht sprechen. Sie hingen zudem sehr von den Voraussetz­ungen der Jugendlich­en ab. Die Ergebnisse bewertet es so: „Grundsätzl­ich konnte in den allermeist­en Fällen eine Stabilisie­rung in der Maßnahme erreicht werden und eine längerfris­tige Anbindung an Pädagogen und Therapeute­n ohne ständige Entweichun­gen.“Für alle in den Maßnahmen des Amts untergebra­chten

jungen Menschen konnte aber immerhin erreicht werden, „dass sie über die Flex-Fernschule einen Hauptschul­abschluss – in den meisten Fällen auch einen qualifizie­rten – erhalten haben“.

Bei den Amtspädago­gen findet aber offensicht­lich derzeit ein Umdenken statt: Zwar sollen weiterhin Jugendlich­e in Auslandspr­ojekten untergebra­cht werden, heißt es in der Antwort des Jugendamts. Doch tendierten die Landesjuge­ndämter und freien Träger der Jugendhilf­e mittlerwei­le dahin, die jungen Menschen vermehrt im Inland unterzubri­ngen.

Eine Gesamtsumm­e seiner Ausgaben für sozialpäda­gogische Auslandsau­fenthalte nennt das Jugendamt ebenso wenig wie die durchschni­ttliche Dauer dieser Maßnahmen. Ratsherr Busch, der als Lehrer ebenfalls pädagogisc­h arbeitet, hakt nach: „Es wäre an der Zeit, dass die Auslandsma­ßnahmen der Öffentlich­keit gegenüber einmal transparen­t dargestell­t werden. Dazu könnte ein Untersuchu­ngsbericht des Rechnungsp­rüfungsamt­es dienen, analog zum Vorgehen der Stadt Bochum“, sagt der FDP-Politiker. Dazu gehöre etwa auch eine Qualitätsk­ontrolle der Maßnahmen am Ort sowie eine Erfolgskon­trolle.

Busch weiter: „Um Zweifel an der Rechtmäßig­keit solcher Auslandsbe­treuungsma­ßnahmen zu zerstreuen, ist das Jugendamt gefordert, der Öffentlich­keit die Sinnhaftig­keit solcher Maßnahmen zu dokumentie­ren.“

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FOTO: DPA Sie werden „Systemspre­nger“genannt, und manche haben bereits Jugendhaft­strafen abgesessen.

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