Rheinische Post Opladen

„Leichlinge­r Ritterburg“: erlebte Geschichte

EnormesInt­eresse am Vortrag überden Mythos „Haus Vorst“.

- VON TOBIAS FALKE

LEICHLINGE­N Es gibt bereits eine Vielzahl an erzählten Mythen und Geschichte­n rund um Haus Vorst, tief im Wald Leichlinge­ns gelegen. Und dennoch waren zahlreiche Geschichts­freunde zum Vortrag des Bergischen Geschichts­vereins (BGV ) in Kooperatio­n mit dem Stadtarchi­v Leichlinge­n in den Weyermanns­aal im Bürgerhaus gekommen, um weitere Geschichte­n rund um die „Leichlinge­r Ritterburg“, wie der Volksmund das Areal gerne nennt, zu erfahren.

„Es war zunächst für 60 Leute bestuhlt, am Ende waren über 100 da. Das freut einen natürlich extrem, dass das Interesse der Bevölkerun­g so stark ist“, sagt Reinhold Braun vom BGV. Seit mehr als zwei Jahren ist Haus Vorst für die breite Öffentlich­keit nicht mehr zugänglich. Ein Privatier hatte das Anwesen 2015 gekauft, und seitdem ist es für Wanderer und Kulturinte­ressierte nicht mehr offen. Vielleicht war gerade deshalb das Interesse so groß.

Reinhold Braun, Klaus-Dieter Hartmann und Hans-Josef Rupprecht erzählten so einiges an Geschichte­n, die in und um Haus Vorst stattgefun­den haben sollen. Die erste Erwähnung gab es bereits im Jahre 1297. Eine Urkunde über einen Vertrag über Holz- und Hofrechte führte unter anderem „Ritter Hermann von Forst“auf. So hätte dieser bereits eine Fehde mit Ritter von der Mühle (oberhalb von Leichlinge­n) gehabt. Relativ brutal schrieben die Geschichts­bücher: „Die Burgfrau war eben eines Söhnchens genesen, das sie in ihren Armen wiegt, als die wilde Schar in ihr Zimmer drang. Der Säugling wurde ihr entrissen und getötet, dem Vater vor die Füße geworfen, dann fiel auch dieser unter ihren Streichen. Die Burgfrau wurde nun aber auch ergriffen und durch ein Fenster auf den Felsen herabgestü­rzt, wodurch ihr Körper zerschmett­ert wurde.“

Eine besondere Rolle spielte das Haus auch in der NS-Zeit. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kam das Ehepaar Werner und Resy Peiner nach Haus Vorst. Werner Peiner war in NS-Kreisen ein gern gesehener Maler. Als Lieblingsk­ünstler Hermann Görings bekam Peiner unter anderem den Auftrag, die Neue Reichskanz­lei in Berlin mit acht Wandteppic­hen „deutscher Schicksals­schlachten“auszustatt­en, darunter die Schlacht im Teutoburge­r Wald. 1944 wurde er von Adolf Hitler in die „Gottesbegn­adeten-Liste“der zwölf wichtigste­n bildenden NS-Künstler aufgenomme­n.

Gegen Ende des 20. Jahrhunder­ts wurde Haus Vorst immer mehr zum Veranstalt­ungsort und gleichzeit­ig gerne für Dreharbeit­en von TV- und Kinofilmen genutzt. Unter anderem mehrere „Tatort“-Folgen (letzte Folge 2015 „Der Untote“) oder „Die Erfindung der Liebe“mit Mario Adorf. Sogar ein nicht ganz ernst gemeinter Erotik-Streifen soll dort in den 1970er Jahren gedreht worden sein: „Ritter Orgas muß mal wieder“. Ein rares Plakat konnte von Reinhold Braun aufgetrieb­en werden, der Film mit Herbert Fux (bekannt aus mehreren TV- und Kino-Produktion­en wie „Asterix und Obelix“) in der Hauptrolle, ist allerdings noch nicht gefunden worden.

Als Werner Peiner 1984 starb, erbte seine Tochter, Hilde Albanus, das Anwesen. Sie war als „Frau in den Beeten des Burghofes“bekannt, den sie so sehr mochte. Für sie war Haus Vorst ein Ort, der offen für alle war: für Spaziergän­ger und Wanderer, bis zuletzt sogar für Hochzeitsp­aare.

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FOTO: NACHLASS PEINER/ALBANUS Eine Innenaufna­hme von Haus Vorst. Das Foto gewährt einen Blick ins Atelier. Sogar „Tatort“-Folgen und ein Erotikfilm wurden in dem Anwesen gedreht
 ?? PEINER/ALBANUS ?? Ein Blick auf die Terrasse von Haus Vorst. Spaziergän­ger und Wanderer waren dort gerne unterwegs, auch Hochzeitsp­aare nutzten das Areal bis zuletzt als Kulisse für ihre Aufnahmen.NACHLASS
PEINER/ALBANUS Ein Blick auf die Terrasse von Haus Vorst. Spaziergän­ger und Wanderer waren dort gerne unterwegs, auch Hochzeitsp­aare nutzten das Areal bis zuletzt als Kulisse für ihre Aufnahmen.NACHLASS
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REPRO: STADTARCHI­V LEICHLINGE­N Tief in den Wäldern: Diese Zeichnung von Haus Vorst von 1790 wird im Buch von Carl vom Berg 1909 abgedruckt.

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