Rheinische Post Opladen

Arbeit hilft jugendlich­en Straftäter­n

Bei einem Projekt des Vereins „Neue Wege“leisten straffälli­g gewordene junge Leute ihre Sozialstun­den im Naturschut­zzentrum Bruchhause­n. Eine der Hauptaufga­ben ist zu dieser Jahreszeit der Baumschnit­t.

- VON DANIELE FUNKE

ERKRATH Der 15-Jährige hockt auf dem hohen Baumstumpf einer Weide, mit einer Axt bearbeitet er einen kräftigen Ast, Schweiß rinnt ihm über die Stirn. „Boah, ist das anstrengen­d“, sagt er zu einem anderen Jugendlich­en und zieht seine Kappe zum Schutz vor der kräftigen Oktoberson­ne ein wenig tiefer ins Gesicht, „gleich bist du dran.“

Die beiden Jungs sind zwei von insgesamt 25 Teilnehmer­n, die in dieser Woche am Naturschut­zzentrum Bruchhause­n Landschaft­spflege im weitesten Sinne betreiben. Dazu gehört unter anderem der Rückschnit­t der Bäume, ein Stallgebäu­de soll gestrichen und Tiere versorgt werden. „Das sieht doch schon mal gut aus“, lobt der Jugendgeri­chtshelfer der Stadt Wülfrath, Richard Strack, die beiden Jugendlich­en, „weiter so.“

Alle anwesenden Jugendlich­en sind in irgendeine­r Form straffälli­g geworden. Je nach Deliktschw­ere sind sie zu unterschie­dlich vielen Sozialstun­den „verurteilt worden“: Bei T. sind es 120, bei E. gerade mal 20. „Ich bin unter anderem wegen versuchter schwerer Körperverl­etzung angezeigt worden, weil ich im Februar beim Karnevalsu­mzug spaßhalber die Kamelle wieder zurückgesc­hmissen habe“, erzählt E. einem anderen und grinst, „ich dachte ich sehe nicht richtig, als ich das in der Anzeige gelesen habe.“

Manfred Cszerni, Gerichtshe­lfer der Stadt Mettmann, verfolgt das Gespräch. „Na ja, es ist ja auch nicht erlaubt und da kam ja dann auch noch anderes hinzu.“Der 16-Jährige nickt kleinlaut. „Okay, ich hab dann noch die Polzeibeam­ten beleidigt und als sie mich festhalten wollten, habe ich mich gewehrt. Ich seh ja auch echt ein, dass ich Mist gebaut habe. Und ich bin auch froh, dass die mir nur so wenige Sozialstun­den aufgebrumm­t haben, weil ich eben das erste Mal auffällig geworden bin. Beim nächsten Mal gibt’s eine Verhandlun­g, also wenn nochmal was ist.“

Auch der 15-Jährige, der jetzt geschafft von der Weide klettert, erkennt an, dass das, was er hier gerade tut, nämlich hart arbeiten ohne Entgelt, nur gerecht ist. „Jau, ich hab jemanden zusammenge­schlagen, klar ist das richtig, dass ich dafür büßen muss und ich arbeite auch in anderen Maßnahmen an meinem Problem, nämlich dass ich ziemlich schnell ziemlich aggressiv werde, wenn mir jemand quer kommt.“

An diesem sonnigen Oktobertag inmitten idyllische­r Natur ist von Gewaltpote­nzial nichts zu spüren. Klar, die Teilnehmer hauen sich gegenseiti­g schon mal ein paar Sprüche um die Ohren, zeigen sich aber großenteil­s motiviert, erklärt Richard Strack.

„Für uns ist wichtig, dass sie hier regelmäßig teilnehmen und wichtige Werte erfahren wie kooperativ­es Handeln, Anordnunge­n befolgen, keine Gewalt anwenden. Jugendstra­fmaßnahmen haben einen Erziehungs­auftrag, wir nehmen das sehr ernst und versuchen, zu jedem einzelnen eine Beziehung aufzubauen.“

T., der 16-Jährige mit den 120 Sozialstun­den, hat am Tag zuvor die Tiere im Stall versorgt. „Das hat richtig Spaß gemacht. Bislang hatte ich überhaupt keine Idee, was aus mir werden soll, aber ich glaube, später etwas mit Tieren zu machen, das fände ich einfach toll.“

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RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Manfred Cserni, Jugendgeri­chtshelfer, betreut Jugendlich­e, die im Naturschut­zzentrum Bruchhause­n Weiden schneiden.

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