RWE-Mitarbeiter fürchten Anschläge
Der Streit um die Zukunft des Braunkohletagebaus spitzt sich zu: 10.000 Demonstranten werden in Bergheim erwartet. RWE-Mitarbeiter berichten von losen Muttern an ihren Fahrzeugen.
BERGHEIM/BERLIN Der Streit um den Fahrplan für den Braunkohleausstieg spitzt sich weiter zu. Am Dienstag haben Aktivisten am Hambacher Forst ein neues Protestcamp gegen die Rodung des Waldes errichtet, obwohl ein Gericht einen vorläufigen Rodungsstopp erlassen hatte. Am Mittwoch werden rund 10.000 Menschen in Bergheim zu einer Demonstration gegen einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle erwartet. Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wird sprechen. Anlass der Kundgebung ist ein Treffen der Kohlekommission in Bergheim, die bis Ende des Jahres ein Konzept für den Ausstieg erarbeiten soll.
Bei den RWE-Mitarbeitern im Tagebau und den Kraftwerken liegen die Nerven blank. Nachdem zwei Mitarbeiter berichtet hatten, dass die Reifenmuttern an ihren Autos locker gewesen seien, wird bei einem großen Betrieb des Braunkohlereviers intern empfohlen, die Muttern an Autos in Außenbereichen vor der Fahrt zu überprüfen. RWE bestätigte, dass es innerbetrieblich solche Warnungen gibt. „Die Leute sind nervös“, sagte ein Mitarbeiter. Mona Neubaur, Sprecherin der Grünen in NRW, sagte: „Aktionen, die Menschenleben gefährden können, sind völlig inakzeptabel.“
Um die Folgen eines Braunkohleausstiegs abzufedern, soll nach Informationen unserer Redaktion eine staatliche Forschungsförderung für energieeffiziente Unternehmen beschlossen werden. Da diese Firmen, etwa Gießereien, chemische Betriebe oder Aluhütten, bereits erhebliche Mittel im Rahmen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes erhalten haben, soll die Erforschung energieeffizienter Prozesse gefördert werden. Als Summe sind 50 bis 100 Millionen Euro bis 2021 im Gespräch. Forschungsinstitute aus Aachen und Mönchengladbach seien gut vorbereitet, solche Projekte zu begleiten.
Wie schwierig die Lage ist, zeigt eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Deutschen Braunkohle-Industrie-Vereins. Danach könnte ein schneller Ausstieg aus der Kohle die Volkswirtschaft mit 100 Milliarden Euro belasten. Die Industrie- und Handelskammern Köln, Aachen und Niederrhein warten vor einem „zu radikalen Bruch mit der Braunkohle“. Energieintensive Betriebe in den drei Bezirken würde direkt und indirekt mehr als 200.000 Arbeitsplätze sichern.
Das überraschende Gerichtsurteil zur Rodung des Hambacher Forsts könne dabei sogar eine positive Wirkung auf die Arbeit in der Kommission haben. „Dieser Streit ist damit erst einmal gegessen“, sagte ein Kommissionsmitglied. Nun könne man sich wieder den mittelfristigen Zielen des Übergangs in eine kohlefreie Zeit widmen. Dabei wird der im Sommer von dem Kommissionsvorsitzenden Ronald Pofalla ausgearbeitete Kompromiss weiterhin als „realistisches Szenario“gesehen. Demnach sollen bis 2020 zwischen fünf und sieben Gigawatt Kohleverstromung aus dem Netz genommen werden, der komplette Ausstieg soll schrittweise zwischen 2035 und 2038 erfolgen. RWE-Chef Rolf Martin Schmitz soll intern 2038 als mögliches Enddatum bezeichnet haben, sollte der Ausbau der erneuerbaren Energien entsprechend erfolgen und die Versorgungssicherheit gewährleistet sei. 2027 soll der Ausstiegskorridor erneut angesichts der dann verfügbaren Daten überprüft werden.