Glyphosat-Streit: Bayer-Aktie stürzt ab
Die Tochter Monsanto muss einem krebskranken Amerikaner zwar weniger zahlen, als nach dem Jury-Spruch im August zu befürchten war. Aber die Richterin entlässt Monsanto auch jetzt nicht aus der Verantwortung.
LEVERKUSEN Natürlich sieht es erst mal wie ein juristischer Erfolg aus, wenn man von einer Jury zu einer Zahlung von 289 Millionen Dollar (rund 250 Millionen Euro) verurteilt worden ist und die Richterin nach einer erneuten Prüfung des Sachverhalts diese Summe auf 78 Millionen Dollar zusammenstreicht. Doch dem Aktienkurs von Bayer hat die Tatsache, dass die Saatgut-Tochter Monsanto einem krebskranken Mann in den USA nur noch ein Viertel der zunächst festgelegten Summe zahlen muss, nicht geholfen. Um elf Prozent ist der Aktienkurs des Leverkusener Unternehmens abgestürzt, weil das grundsätzliche Urteil in dem Schadenersatzprozess in den Vereinigten Staaten bestehen geblieben ist.
Die Geschichte um den todkranken Amerikaner Dewayne Johnson hat im August für Schlagzeilen gesorgt. Johnson, der jahrelang als Hausmeister an Schulen und auf Sportplätzen gearbeitet hat, führt seine Lymphdrüsenkrebs-Erkrankung auf den Einsatz des glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittels Roundup zurück. Der endgültige Ausgang dieses Verfahrens könnte wegweisend für die Erfolgschancen 8700 weiterer Klagen sein, die allein in den USA eingereicht worden sind. Die Kläger werfen Monsanto vor, sie nicht ausreichend vor den gesundheitlichen Gefahren des Unkrautvernichters gewarnt oder diese sogar verschleiert zu haben.
Mit der Absicht, straffrei aus dem Verfahren herauszukommen, sind Bayer und Monsanto vorerst gescheitert. Dabei hatte man vor zwei Wochen noch darauf gehofft, dass die Richterin Suzanne Bolanos tatsächlich zu einer anderen Einschätzung kommen könnte als im August die Geschworenenkammer in San Francisco. Am Ende hat Bolanos aus der Einsicht in die Stellungnahmen beider Parteien aber vor allem den Schluss gezogen, dass die zu zahlende Summe zu hoch ausgefallen ist. Monsanto aus der Verantwortung entlassen wollte sie offenbar nicht – womöglich auf Druck von Geschworenen, wie es heißt.
Bayer versuchte am Dienstag, das Urteil als Erfolg zu werten: „Die Entscheidung des Gerichts, den Strafschadenersatz um mehr als 200 Millionen Dollar zu reduzieren, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bayer ist allerdings nach wie vor davon überzeugt, dass das Urteil im Widerspruch zu den im Prozess vorgelegten Beweisen steht.“Der Konzern beabsichtige daher, gegen das Urteil Berufung beim California Court of Appeal einzulegen. Das soll nach Angaben eines Bayer-Sprechers in den nächsten Wochen geschehen. Bolanos will den Prozess um das Glyphosat nicht mehr aufrollen, wenn Johnson und seine Anwälte der verringerten Schadenersatzzahlung bis zum 7. Dezember zustimmen.
Die sachliche Position des Konzerns in der Diskussion um die Glyphosat-Gefahren hat sich nicht verändert. Schon im August hat der Konzern darauf verwiesen, dass nach seiner Auffassung das damalige Urteil der Geschworenen-Jury im Widerspruch zu bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, jahrzehntelangen praktischen Erfahrungen stehe und den Einschätzungen von Regulierungsbehörden weltweit stehe.