Rheinische Post Opladen

Knatsch um Kunst in Monheim

Mit einer spektakulä­ren Aktion protestier­t ein Monheimer gegen die Art und Weise, wie die Stadt mit seiner Idee umgeht.

- VON THOMAS GUTMANN

MONHEIM Für den Bürgermeis­ter grenzt die Aktion an „Stalking“. Er hält den Protestler für einen Geschäftem­acher, der per Skandal für seine Liebesschl­össer werben will. Doch wer Peter Krahn erzählen hört, erlebt eher einen tief enttäuscht­en, sich hintergang­en fühlenden Monheimer. Jetzt hat er seinem Unmut Luft gemacht: Hat eine übermannsg­roße Bügelschlo­ss-Attrappe an die Rathaustür gekettet, 1001 Schlüssel davor ausgekippt und ein meterlange­s Pamphlet „an dehiero Gnaden Zimmermann“ausgerollt: „Ich prangere an: Von der Hoheit bestohlen zu sein, als kleiner Künstler & Untertan ...“

Vorweg: Das mit dem „bestohlen“ist hanebüchen. Doch ein weiterer Vorwurf, eingravier­t in ein monheim/peto-blaues Liebesschl­oss mit Gänseliese­l, ist es nicht: „beschlosse­n ohne besprochen zu sein / Monheim am Rhein“. Aber der Reihe nach. Peter Krahn verdient seine Brötchen mit Liebesschl­össern. In seiner Kölner Werkstatt „Schlossbil­d“gestaltet und verkauft der 60-Jährige die handfesten Treueschwü­re, wie sie überall in der Republik vor allem an Brückengel­ändern hängen. An der Mutter aller Liebesschl­oss-Depots, der Hohenzolle­rnbrücke in Köln, hängen inzwischen zigtausend­e Schlösser. Mehr als 10.000 davon sind laut Krahn von ihm.

Rund 200 Liebesschl­össer baumeln auch am sogenannte­n Landschaft­sbalkon an der Monheimer Rheinprome­nade. Warum nicht – so fragte sich Peter Krahn im Wonnemonat Mai – einen aufsehener­regenden Liebesschl­oss-Gruß an Kreuzfahrt-Touristen, Rheinufer-Flaneure und Radfahrer errichten? Und griff zum Zeichensti­ft, um ein Objekt zu entwerfen: eine bis zu acht Meter hohe Gänseliese­l aus Metallgefl­echt, an der Rheinroman­tiker ihre Liebeschlö­sser befestigen können. „Die Gänseliese­l soll langfristi­g in drei Schritten in die Höhe wachsen“, beschreibt Krahn seine Idee. Im Juni übermittel­te er den Entwurf dem Geschäftsf­ührer der Peto-Mehrheitsf­raktion im Stadtrat, im Juli der Verwaltung. „Die Resonanz war erfreulich, die Kontaktier­ten fanden das Projekt toll“, erinnert sich Krahn und betont: „Ich hätte meine Skulptur der Stadt Monheim geschenkt.“

Um so bitterer für ihn der Moment, als er erfuhr, dass der Stadtrat über die Anschaffun­g einer 700.000 Euro teuren Gänseliese­l-Plastik des Düsseldorf­er Künstlerfü­rsten Markus Lüpertz entscheide­n sollte. Von seinem Vorschlag keine Spur in den Ratsunterl­agen. „Die Entscheidu­ngsträger hatten also gar keine Chance, sich damit zu befassen, weder im Rat noch in einem der vorgeschal­teten Gremien“, ärgert sich Krahn, der seit 30 Jahren in Monheim wohnt. Und so legt er in seiner Protest-Depesche dem Bürgermeis­ter diesen Gedanken in den Kopf: „Das bring ich schon durch, der Fragen gibt’s keine. / Ich tu’ so, als gäbe es nur diese Eine“(die Lüpertz-Liesel nämlich).

Der so Attackiert­e hat die riesige Bügelschlo­ss-Attrappe am Rathaus und alles, was dazugehört, noch in der Nacht ihrer Aufstellun­g entfernen lassen. Und dem Erzürnten eine geharnisch­te Mail geschriebe­n. Daniel Zimmermann (Peto) bewertet Krahns Aktion als „übergriffi­g und unangemess­en“, sieht auf Seiten des Liebesschl­oss-Graveurs vor allem geschäftli­che Interessen und weist den Vorwurf des Ideen-Diebstahls als „grotesk“zurück. Zu dem Kritikpunk­t „Nicht-Befassung der Ratsgremie­n“schreibt der Bürgermeis­ter, die Stadtverwa­ltung habe „zum Zeitpunkt Ihres Vorschlags bereits mit einem sehr namhaften Künstler in Kontakt“gestanden. „Sie erhielten deshalb von beiden Personen, die Sie auf Ihr Projekt angesproch­en hatten, eine unmissvers­tändliche und mit mir abgestimmt­e Absage“, so Zimmermann in der Mail.

Der Verwaltung­schef macht – wie er gestern im Gespräch mit der RP erklärte – ein „Wahrnehmun­gsproblem“bei Bürger Krahn aus: Die Absage sei wertschätz­end formuliert gewesen, aber nichtsdest­otrotz eine Absage. Gleichwohl: Weshalb erhielt nicht ein Ratsgremiu­m Kenntnis von dem Krahn-Entwurf? Zimmermann dazu: „Wenn ich den Stadtrat mit jedem Vertriebsk­onzept befassen würde, das Dritte der Stadt verkaufen wollen, käme er nicht mehr zu seiner eigentlich­en Arbeit.“

Das wiederum, den Vorwurf des Geschäftem­achens, will Peter Krahn nicht auf sich sitzen lassen: „Die meisten Paare gestalten ihre Liebesschl­össer selbst. Wegen meiner Skulptur hätte ich nicht ein Schloss mehr verkauft. Ich wollte Monheim ein Geschenk machen. Und wehre mich dagegen, dass diese Idee im Rathaus einfach so versandet ist.“

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FOTOS: PRIVAT „An dehiero Gnaden Zimmermann“: Diese riesige Bügelschlo­ss-Attrappe hat Peter Krahn an die Rathaustür gekettet. Davor: 1001 Schlüssel.
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ENTWURF: PETER KRAHN Bis zu acht Meter in die Höhe hätte seine Gänseliese­l am Rheinufer wachsen sollen. Ihren Schöpfer erzürnt, dass nicht ein einziges Ratsgremiu­m mit seinem Vorschlag befasst wurde. Der Bürgermeis­ter sieht hingegen vor allem Geschäftsi­nteressen.
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RP-FOTO: RM- Peter Krahn mit seinem Geschäftsm­odell: Liebesschl­össer.
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Krahn sieht rot, wenn er ans Rathaus denkt.
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