„Ein Spaziergang durch den Rhein? Unmöglich!“
Was der Spielmann vor 400 Jahren noch konnte, würde heute selbst baumlangen Monheimern nicht gelingen, sagt der Wetterforscher.
Hochwasser hat etwas Gefährliches, das weiß jedes Kind. Aber Niedrigwasser? Erklären Sie’s uns! Opherden Bei Niedrigwasser, zumal bei Rekordpegelständen wie derzeit, halten viele Menschen den Rhein für völlig harmlos. „Pegel Köln: 65 Zentimeter“klingt ja auch irgendwie niedlich. Das bisschen Wasser kann keinen in Gefahr bringen, denkt man.
Und das stimmt nicht?
Opherden Keineswegs. Die Kraft der Schiffsmotoren wirkt auf sehr viel weniger Wasser als sonst. Dadurch kann strömendes Wasser, das Badende oder im Fluss Watende erfasst, viel gefährlicher sein als üblich, zumal die Schiffe auch räumlich deutlich näher sind.
Insgesamt fließt derzeit aber doch sehr wenig Wasser durch den
Rhein.
Opherden Natürlich, auch die Werte „m³/sec“sind eindrucksvoll, also die im Rhein durchfließende Wassermenge in Kubikmeter pro Sekunde. Die liegt aktuell bei nur rund 700 m³/sec. Ganz schön wenig. Nur ein Drittel des Normalen und mehr als 15-mal weniger als beim Jahrhunderthochwasser 1995.
Ein weiterer Rekord, ein Abflussrekord sozusagen?
Opherden Eben nicht. Die 700 m³/ sec ergeben sich ja aus dem tatsächlich rekordniedrigen Wasserstand und der Fließgeschwindigkeit. Letztere ist heute ungleich höher als früher – wegen des Kunstprodukts Fahrrinne und der Begradigung des früher viel kurven- und inselreicheren Rheins. Heute fließt also deutlich mehr Wasser zügig zum Meer als früher, weshalb übrigens auch Hochwasserwellen viel schneller kommen, aber eben auch schneller wieder weg sind. Für die Historie seit Beginn der Industrialisierung gilt 1853 als Rekordjahr. Damals, im Dezember, ging der Abfluss bis auf rund 400m³/sec runter. Dem sagenhaften Spielmann war es aber noch möglich, den Niedrigwasser-Rhein zu durchwaten ... Opherden Ja, aber die Sage spielt vor rund 400 Jahren. Heute wäre das unmöglich. Erst recht kann man dabei nicht, wie der Spielmann, Geige spielen.
O wie schade. Warum?
Opherden Wegen der ausgebaggerten Fahrrinne. In Köln beispielsweise garantiert das Wasser- und Schifffahrtsamt mindestens 1,45 Meter Wassertiefe unter Nullpegel. Heißt: 65 Zentimeter Pegel gleich mindestens 2,10 Meter Wassertiefe. Die Strömung in der Fahrrinne ist außerdem ungleich stärker, als es die Flussströmung vor dem Ausbau des bis dahin verästelten Rheins zu einer großen Wasserstraße war. Nebenbei: Kommt ein Frachter, wird man hin- und druntergezogen und
kann nichts dagegen machen.
Das heißt, auch so ein sportlicher, superlanger Naturbursche wie Sie hätte selbst bei dem aktuellen Rekordniedrigwasser keine Chance, durch den Rhein zu spazieren? Opherden Nein. Null Chance, auch wenn lange kein Schiff kommt. Unter enger Begleitung durch die DLRG wäre ich sogar bereit, dies experimentell zu belegen. Ich bin zwei Meter groß, fahre jeden Tag 60 Kilometer Rad, um zur Arbeit und zurück zu kommen. Trotzdem: Ich würde gegen mich wetten.
Gut, aber zur Not könnten Sie ja schwimmen.
Opherden Genau das wäre eben nicht so einfach. An manchen Stellen, besonders in Ufernähe, ist es zu seicht, um zu schwimmen. Die Strömung aber ist stärker, als viele glauben. Erst im Sommer musste ich in Baumberg mit ansehen, wie zwei kräftige Frauen von einem „Schiffstsunami“über den Kies geschleift wurden und mühevoll mit blutüberströmten Beinen wieder an Land kamen. Ich hatte absolut keine Chance, ihnen zu helfen, als sie noch im Wasser waren. Dies zeigt doch, dass es keineswegs überflüssig ist, Menschen eindrucksvoll vor diesem und anderen Gewässern zu warnen.
Okay, baden gehen dürfte jetzt, da die Herbststürme hereingebrochen sind, ohnehin kaum noch jemand. Gibt es denn auch Gefahren durch das Niedrigwasser, die auf dem Trockenen liegen?
Opherden Ja, auch da. Im sonst vom Wasser bedeckten Kies und Schlamm wird jetzt gerne nach „Schätzen“gesucht. Oft genug handelt es sich bei diesen aber um Granaten, Bomben oder auch Phosphorsteine aus dem Zweiten Weltkrieg. Letztere können spontan zu brennen anfangen.