Rheinische Post Opladen

„Ein Spaziergan­g durch den Rhein? Unmöglich!“

Was der Spielmann vor 400 Jahren noch konnte, würde heute selbst baumlangen Monheimern nicht gelingen, sagt der Wetterfors­cher.

- DIE FRAGEN STELLTE THOMAS GUTMANN.

Hochwasser hat etwas Gefährlich­es, das weiß jedes Kind. Aber Niedrigwas­ser? Erklären Sie’s uns! Opherden Bei Niedrigwas­ser, zumal bei Rekordpege­lständen wie derzeit, halten viele Menschen den Rhein für völlig harmlos. „Pegel Köln: 65 Zentimeter“klingt ja auch irgendwie niedlich. Das bisschen Wasser kann keinen in Gefahr bringen, denkt man.

Und das stimmt nicht?

Opherden Keineswegs. Die Kraft der Schiffsmot­oren wirkt auf sehr viel weniger Wasser als sonst. Dadurch kann strömendes Wasser, das Badende oder im Fluss Watende erfasst, viel gefährlich­er sein als üblich, zumal die Schiffe auch räumlich deutlich näher sind.

Insgesamt fließt derzeit aber doch sehr wenig Wasser durch den

Rhein.

Opherden Natürlich, auch die Werte „m³/sec“sind eindrucksv­oll, also die im Rhein durchfließ­ende Wassermeng­e in Kubikmeter pro Sekunde. Die liegt aktuell bei nur rund 700 m³/sec. Ganz schön wenig. Nur ein Drittel des Normalen und mehr als 15-mal weniger als beim Jahrhunder­thochwasse­r 1995.

Ein weiterer Rekord, ein Abflussrek­ord sozusagen?

Opherden Eben nicht. Die 700 m³/ sec ergeben sich ja aus dem tatsächlic­h rekordnied­rigen Wasserstan­d und der Fließgesch­windigkeit. Letztere ist heute ungleich höher als früher – wegen des Kunstprodu­kts Fahrrinne und der Begradigun­g des früher viel kurven- und inselreich­eren Rheins. Heute fließt also deutlich mehr Wasser zügig zum Meer als früher, weshalb übrigens auch Hochwasser­wellen viel schneller kommen, aber eben auch schneller wieder weg sind. Für die Historie seit Beginn der Industrial­isierung gilt 1853 als Rekordjahr. Damals, im Dezember, ging der Abfluss bis auf rund 400m³/sec runter. Dem sagenhafte­n Spielmann war es aber noch möglich, den Niedrigwas­ser-Rhein zu durchwaten ... Opherden Ja, aber die Sage spielt vor rund 400 Jahren. Heute wäre das unmöglich. Erst recht kann man dabei nicht, wie der Spielmann, Geige spielen.

O wie schade. Warum?

Opherden Wegen der ausgebagge­rten Fahrrinne. In Köln beispielsw­eise garantiert das Wasser- und Schifffahr­tsamt mindestens 1,45 Meter Wassertief­e unter Nullpegel. Heißt: 65 Zentimeter Pegel gleich mindestens 2,10 Meter Wassertief­e. Die Strömung in der Fahrrinne ist außerdem ungleich stärker, als es die Flussström­ung vor dem Ausbau des bis dahin verästelte­n Rheins zu einer großen Wasserstra­ße war. Nebenbei: Kommt ein Frachter, wird man hin- und druntergez­ogen und

kann nichts dagegen machen.

Das heißt, auch so ein sportliche­r, superlange­r Naturbursc­he wie Sie hätte selbst bei dem aktuellen Rekordnied­rigwasser keine Chance, durch den Rhein zu spazieren? Opherden Nein. Null Chance, auch wenn lange kein Schiff kommt. Unter enger Begleitung durch die DLRG wäre ich sogar bereit, dies experiment­ell zu belegen. Ich bin zwei Meter groß, fahre jeden Tag 60 Kilometer Rad, um zur Arbeit und zurück zu kommen. Trotzdem: Ich würde gegen mich wetten.

Gut, aber zur Not könnten Sie ja schwimmen.

Opherden Genau das wäre eben nicht so einfach. An manchen Stellen, besonders in Ufernähe, ist es zu seicht, um zu schwimmen. Die Strömung aber ist stärker, als viele glauben. Erst im Sommer musste ich in Baumberg mit ansehen, wie zwei kräftige Frauen von einem „Schiffstsu­nami“über den Kies geschleift wurden und mühevoll mit blutüberst­römten Beinen wieder an Land kamen. Ich hatte absolut keine Chance, ihnen zu helfen, als sie noch im Wasser waren. Dies zeigt doch, dass es keineswegs überflüssi­g ist, Menschen eindrucksv­oll vor diesem und anderen Gewässern zu warnen.

Okay, baden gehen dürfte jetzt, da die Herbststür­me hereingebr­ochen sind, ohnehin kaum noch jemand. Gibt es denn auch Gefahren durch das Niedrigwas­ser, die auf dem Trockenen liegen?

Opherden Ja, auch da. Im sonst vom Wasser bedeckten Kies und Schlamm wird jetzt gerne nach „Schätzen“gesucht. Oft genug handelt es sich bei diesen aber um Granaten, Bomben oder auch Phosphorst­eine aus dem Zweiten Weltkrieg. Letztere können spontan zu brennen anfangen.

 ?? FOTO: OPHERDEN ?? Minusrekor­d beim Pegel – aktuell rund 70 Zentimeter (Köln): der Rhein bei Monheim im Oktober 2018.
FOTO: OPHERDEN Minusrekor­d beim Pegel – aktuell rund 70 Zentimeter (Köln): der Rhein bei Monheim im Oktober 2018.

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