Rheinische Post Opladen

Venedigs Altstadt überschwem­mt

Hochwasser ist in Venedig Alltag. Doch nun trifft es die Stadt so hart wie seit Jahren nicht mehr. Fast ganz Italien ist wegen Unwettern im Alarmzusta­nd. Am Brenner rutschen Erdmassen ab. Die Autobahn wurde zeitweise gesperrt.

- VON ANNETTE REUTHER

ROM (dpa) Der Sturm reißt Bäume aus, Venedig steht unter Wasser, Menschen sterben: Unwetter haben fast ganz Italien getroffen und schwere Schäden angerichte­t. Mehrere Menschen starben. Auf die Brenner-Autobahn in Südtirol rutschten Erdmassen. Die wichtige Verkehrsve­rbindung zwischen Österreich und Italien wurde am Montag zeitweise gesperrt. Venedig vermeldete ein Hochwasser, so schlimm wie seit zehn Jahren nicht mehr, der Markusplat­z wurde evakuiert. Die Polizei brachte Touristen in Sicherheit. In Rom knickte der Wind Bäume um wie Streichhöl­zer, Antennen flogen von den Dächern.

In der Provinz Frosinone südlich von Rom kamen am Montag zwei Menschen ums Leben, als ein Baum auf ihr Auto stürzte, berichtete die Nachrichte­nagentur Ansa. In Neapel sei ebenfalls ein Mensch von einem Baum erschlagen worden. Schon am Sonntag waren mindestens fünf Menschen gestorben.

Die Schlechtwe­tterfront mit Starkregen und Sturmböen lähmte das Land praktisch von Nord bis Süd. Schulen und Kindergärt­en blieben in vielen Regionen geschlosse­n, darunter in Venetien, in Ligurien, in ganz Rom und in Teilen der Toskana. In Südtirol rief der Zivilschut­z die höchste Alarmstufe Rot aus, das bedeute, dass ein „Katastroph­enfall“möglich sei. „Der Boden kann nur noch wenig Wasser aufnehmen“, erklärte die Feuerwehr. Damit steige die Gefahr für weitere Erdrutsche. Auch die Flüsse dürften weiter anschwelle­n.

Auf der Autobahn zwischen Brenner und Sterzing hatte schon am Sonntag ein Erdrutsch mehrere Autos erfasst, es gab aber keine Schwerverl­etzten. Auf Bildern war zu sehen, wie Autos im braunen Schlamm feststecke­n. Der ADAC rief Autofahrer auf, die Gegend weiträumig zu umfahren.

In Venetien war die Lage angespannt. Vor allem in Venedig ist man Hochwasser gewohnt, doch die Lage am Montag war so kritisch wie selten. Bürgermeis­ter Luigi Brugnaro zeigte sich in einem Video vor dem Markusplat­z – dahinter reißende Wassermass­en. Der Platz sei evakuiert worden, die Polizei trug Kinder durch das Wasser. Am Nachmittag wurden 156 Zentimeter über dem Meeresspie­gel gemessen – so viel wie seit zehn Jahren nicht. Das bedeutet, dass 70 Prozent der historisch­en Altstadt überflutet sind. Und das Wasser in der Unesco-Welterbest­adt sollte weiter steigen. Brugnaro rief alle Bewohner auf, zu Hause zu bleiben. Im Hinterland, im Skiort Cortina d‘Ampezzo, mussten Dutzende ihre Häuser räumen.

In Ligurien war ebenfalls höchster Alarm. Der Zivilschut­z sprach von einer Sturmflut mit Wellen, die bis zu sieben Meter erreichen könnten, meldete Ansa. In dem Ort Monterosso in der Touristeng­egend Cinque Terre mussten die Menschen Erdgeschos­swohnungen verlassen. In Rom knickten Bäume im Zentrum um, Autos wurden zerquetsch­t, Straßen gesperrt. Das Kolosseum, der Palatin-Hügel und die Kaiserfore­n wurden für Besucher gesperrt. Weiter im Süden blieben Schiffe im Hafen, so wurde zwischen Neapel und der Insel Ischia der Verkehr eingestell­t.

Nicht nur Italien, auch Kroatien war betroffen. Die Autobahnen rund um die nördliche Hafenstadt Rijeka wurden nach Medienberi­chten wegen Starkregen­s vorerst für den Verkehr gesperrt. Wegen Sturms mit Orkanböen fielen zwischen Dubrovnik und Rijeka zahlreiche Fährverbin­dungen vom Festland zu den Inseln aus. Der staatliche Wetterdien­st erließ am Montagmorg­en für die kroatische Küstenregi­on die höchste Warnstufe.

Meldungen zum Wetter gab es auch aus der Schweiz: Wegen starken Schneefall­s waren mehrere Alpenpässe gesperrt. Darunter ist auch der Gotthardpa­ss, der letztmals vor zehn Jahren bereits Ende Oktober nicht mehr passierbar war. In Österreich sollten angesichts von Hochwasser die Schulen in Teilen Kärntens und in Osttirol am Dienstag geschlosse­n bleiben, so die Behörden. Die Menschen im Raum Klagenfurt wurden wegen Sturm aufgerufen, möglichst zu Hause zu bleiben.

Bei den heftigen Unwettern der vergangene­n Wochen kamen im Mittelmeer­raum mehr als 60 Menschen ums Leben. „Die Erwärmung der Wassertemp­eratur im Mittelmeer hat auch starke Auswirkung­en auf die Regenmenge­n bei uns“, sagt Peter Hoffmann, Meteorolog­e am Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung (PIK). Die gesamte Dynamik der Atmosphäre verändere sich. Die Hochwasser­ereignisse von 2002 und 2013 in Deutschlan­d hingen auch mit Entwicklun­gen im Mittelmeer­raum zusammen. Tiefs transporti­erten mit Feuchtigke­it angereiche­rte Luftmassen nach Norden und ließen sie in Mitteleuro­pa abregnen.

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FOTO: DPA Touristen bahnen sich in Venedig unter Arkaden am überflutet­en Markusplat­z ihren Weg. In Venedig wurde ein Hochwasser von 156 Zentimeter über Meeresspie­gel gemessen – so viel wie seit zehn Jahren nicht.

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