Rheinische Post Opladen

Problem im Alter: Armes Remscheid, arme Frauen

Die Zahl der Frauen, die im Alter von Armut bedroht sind, wird steigen. Das liegt am verbreitet­en weiblichen Lebensmode­ll.

- VON CHRISTIAN PEISELER

REMSCHEID Frauen sind besonders durch Altersarmu­t gefährdet, da sie ihr ganzes Berufslebe­n lang weniger verdienen als Männer. Darüber sind sich die meisten Gutachter, die sich mit Armut beschäftig­en, einig. Diese Tatsache spiegelt sich auch in den neuen Zahlen über Altersarmu­t von Frauen in Remscheid wieder. Nach Informatio­nen der Stadt bezogen im April 2018 506 Frauen Grundsiche­rung. Das bedeutet, ihre Rente reicht nicht aus, um davon leben zu können. Die Grundsiche­rung entspricht dem Niveau von Hart IV. Der durchschni­ttliche Bedarf liegt bei 785 Euro.

Ob das eine hohe oder niedrige Zahl ist, lässt sich mit den absoluten Zahlen nicht deutlich darstellen. Dazu fehlen Vergleiche. Gleichstel­lungsbeauf­tragte Christel Steylaers geht aber davon aus, dass die Zahl der Frauen, die im Alter mit Armut zu kämpfen haben, steigen wird. Nach den Forschunge­n der Bertelsman­nstiftung könnte es bis 2035 jede dritte Frau sein. Verschärfe­nd für Remscheid kommt eine Besonderhe­it hinzu: Frauen werden in der Werkzeugst­adt häufiger arbeitslos als in anderen Städten. Der Frauenante­il an sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten betrug 2017 41,5 Prozent. Der Anteil an der Arbeitslos­igkeit lag bei 45,5 Prozent. Normal ist es umgekehrt. Der Grund für die heutige Altersarmu­t liegt im Lebensmode­ll der Frauen. Sie waren und sind es noch immer, die für die Kindererzi­ehung und oft auch für Pflege der Eltern Abstriche bei der Karriere machen. So arbeiten Frauen mit Kindern in Teilzeit. Krippen und Kindergärt­en sind noch nicht ausreichen­d ausgebaut. Politische Maßnahmen wie das Ehegattens­plitting und die „Herdprämie“fördern nach Beobachtun­gen von Sozialwiss­enschaftle­rn den Ausstieg aus der Erwerbsarb­eit auf Zeit.

Im Alter zahlen die Frauen den Preis. Wenn sie in jüngeren Jahren auf die Ehe setzten und nun nach einer Scheidung das zweite Alterseink­ommen fehlt, sind sie die Leidtragen­den. Die Gesetze werden im Bund gemacht. Nach Meinung von Steylaers besitzt auch die Kommune Möglichkei­ten, Wege aus der Armutsfall­e für Frauen zu finden. Das fängt mit Aufklärung an. „Ich plädiere dafür, dass Frauen mehr Vollzeitst­ellen bekommen“, sagt Steylaers. Zusammen mit der Wirtschaft­sförderung könne man für eine flexiblere Personalpo­litik werben. Vom Bau des DOC erhofft sich Steylaers Chance für Frauen auf gute Jobs. „Das DOC kann nicht mit Aushilfskr­äften arbeiten“, sagt sie.

Fast jeder zehnte Remscheide­r lebt von Transferle­istungen. Diese Quote ist konstant. Trotz der Boomjahre in der Wirtschaft. Seit 2005 hat sich die Zahl der Menschen mit „Grundsiche­rung“in Deutschlan­d verdoppelt. Die Zahl der bedürftige­n Rentner ist in Wahrheit viel größer. Die Scham und die Schuldgefü­hle, nicht selbst für sich gesorgt zu haben, verhindern oft, sich Hilfe zu holen, heißt es.

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FOTO: BROKER/JANXTEPASS Bei vielen Frauen reicht die Rente nicht zum Leben.

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