Historiker liefert Neues zur Pogromnacht
Wer gehörte 1938 zu den Tätern in Langenfeld? Günter Schmitz hat in dem Puzzle die nächsten Teile hinzugefügt.
LANGENFELD Der Flügelsaal der Volkshochschule ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Zuhörer warten gespannt darauf, dass der Referent Günter Schmitz mit seinem Vortrag beginnt. Auch 80 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen weckt die Reichspogromnacht noch die Aufmerksamkeit der Langenfelder. „Jahrzehntelang hatte die Reichsprogromnacht wenig Platz in der Öffentlichkeit“, sagt der Historiker zu Beginn seines Vortrags. In besagter Nacht wurden, infolge eines Attentats auf den Gesandschaftssekräter der deutschen Botschaft in Paris, in der Nacht von dem 9. auf den 10. November im gesamten Deutschen Reich Gewaltmaßnahmen (bis hin zu Morden wie im benachbarten Hilden) gegen Juden und deren Besitz organisiert, auch in Langenfeld.
Anhand von Prozessakten und persönlichen Briefen Betroffener dokumentiert Schmitz das erschreckende Ereignis, begleitet von selbstrecherchierten Bildern.
Die Namen der Tatbeteiligten dürfen nicht genutzt werden, lediglich der Beruf sowie der Anfangsbuchstabe des Nachnamens werden genannt. „In der ehemaligen Wilhelmshalle fand vorher eine Versammlung der SA statt, viele der Teilnehmer waren später an den Ausschreitungen beteiligt“, informiert Schmitz.
Das erste Ziel war das Geschäft „Gebrüder Meyer“. Neben Sturmführer F. und Stuckateur M. beteiligten sich auch SS-Führer daran, die Fenster und die Inneneinrichtung des Geschäftes zu demolieren.
Außerdem wurden die Privathäuser der etwa 30 damals in Langenfeld lebenden Juden beschädigt. So wie das immer noch erhaltene Haus Albert Salomons auf der Ganspohler Str.13. Auch Salomon selbst wurde in dieser Nacht bei dem Überfall misshandelt. Es folgten die Zerstörung der Synagoge, die überfallen und in Brand gesetzt wurde, und die Schändung des jüdischen Friedhofes. „Später wurden insgesamt drei Langenfelder Juden in ein Konzentrationslager gebracht, viele flüchteten in die USA“, erzählt der 79-Jährige.
Heute erinnern 15 Stolpersteine in der Stadt an dieses Schicksal, dazu fand bereits ein Rundgang mit Günter Schmitz statt. Er hat sich in seiner Forschung auf die Geschichte der Langenfelder Juden spezialisiert.
Für seine besonderen Verdienste erhielt er dieses Jahr den Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes. „Ich möchte meine Erarbeitungen den Menschen weitergeben, dieses Thema darf nicht vergessen werden“, sagt der ehemalige Lehrer und Schulleiter. Viele würden vergessen, dass das Unrecht im Einzelnen und im Kleinen begann. Zurzeit arbeitet Schmitz an einem Familienbuch der Langenfelder und Monheimer Juden.
Auf das Gehörte reagiert das Publikum empört. „Was hat unsere Welt daraus gelernt?“, fragt einer der
Besucher, „Nichts! Das wird immer noch weiter praktiziert, nur auf eine andere Art.“Der evangelische Pfarrer Christof Bleckmann fand den Vortrag quälend, „wenn man sich mal vorstellt, wie die Leute nichts Besseres zu tun hatten, als das Hab und Gut ihrer Mitmenschen zu zerstören“, sagt der 54-Jährige. Er finde es wichtig, weiterhin über dieses Thema zu sprechen – und tue dies auch im Konfirmandenunterricht.
Die Zuschauerin Pia Walkenbach findet vor allem die lokale Anbindung interessant. Sie fragt sich, ob die Täter neidisch auf die einflussreichen Juden waren. „Sicher ist, dass dies keine religiösen Hintergründe hatte“, glaubt die 56-Jährige.
Heute findet um 14 Uhr eine Führung über den jüdischen Friedhof mit Günter Schmitz statt. Anmeldungen sind nur noch für die Warteliste unter www.vhs-langenfeld. de möglich.