Rheinische Post Opladen

Personalma­ngel – jedes vierte Verfahren wird eingestell­t

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

BERLIN Die Länder fordern vom Bund finanziell­e Hilfe für mehr Richterste­llen. „Es kann nicht sein, dass der Bund im Koalitions­vertrag 2000 neue Stellen für Richter und Staatsanwä­lte beschließt und die Länder das alleine umsetzen und bezahlen sollen“, sagte der Vorsitzend­e der Justizmini­sterkonfer­enz, der Thüringer Ressortche­f Dieter Lauinger (Grüne), unserer Redaktion. Er betonte, auch die Länder seien dafür, die Justiz besser auszustatt­en. Die Aufgaben nähmen zu, die Verfahren stapelten sich bei den Gerichten. „Aber wir als Länder fordern den Bund auf, sich an den Kosten für die 2000 neuen Stellen in erhebliche­m Umfang und langfristi­g zu beteiligen“, sagte Lauinger. Denn ein solches Projekt verursache finanziell­en Bedarf für 40 Jahre.

Im Koalitions­vertrag hatten sich Union und SPD unter der Überschrif­t „Pakt für den Rechtsstaa­t“auf 2000 neue Richterste­llen geeinigt. Dabei verwiesen sie darauf, dass die Länder damit begonnen hätten, mehr Justizpers­onal einzustell­en. Diesen Satz muss man so interpreti­eren, dass sich der Bund bei den Ländern eben nicht in der Pflicht sieht, für mehr Justizpers­onal zu sorgen.

Der Richterbun­d verweist seit Jahren auf die Dringlichk­eit von mehr Personal an den Gerichten. „Mit dem Rechtsstaa­tspakt besteht jetzt die Chance, die chronische­n Personalso­rgen in Gerichten und Staatsanwa­ltschaften nachhaltig zu beheben“, sagte Bundesgesc­häftsführe­r Sven Rebehn. Aus seiner Sicht reicht es aber nicht, allein mehr studierte Juristen einzustell­en. Erforderli­ch sei ein Dreiklang aus mehr Personal, besserer technische­r Ausstattun­g der Gerichte und einem effiziente­ren Verfahrens­recht, betonte Rebehn.

Der Richterbun­d verwies insbesonde­re auf die erhebliche Überlastun­g der Gerichte. So hat die Zahl der nach Ermessensv­orschrifte­n eingestell­ten Strafverfa­hren nach Angaben des Deutschen Richterbun­des deutlich zugenommen. Dabei geht es um Fälle, in denen die Staatsanwa­ltschaft zwar einen hinreichen­den Tatverdach­t sieht, das Verfahren gegen den Beschuldig­ten aber zum Beispiel wegen Geringfügi­gkeit einstellt. „Die Zahl dieser Einstellun­gen ohne Auflagen ist zwischen 2007 und 2017 um rund 180.000 auf mehr als 1,2 Millionen gestiegen. Inzwischen stellen die Staatsanwa­ltschaften jeden vierten Fall auf diese Weise ein“, hieß es vom Richterbun­d.

Der Richterbun­d verweist auch auf eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Allensbach, wonach 77 Prozent der Bürger der Meinung sind, dass die Gerichte überlastet seien. 83 Prozent geben an, dass die meisten Verfahren in Deutschlan­d zu lange dauern. „Neben einer stark belasteten Strafjusti­z benötigen insbesonde­re auch die Verwaltung­sgerichte weiterhin Hilfe“, betonte Rebehn.

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