Rheinische Post Opladen

Hightech-Mogeln beim Führersche­in

Die Staatsanwa­ltschaft Bonn ermittelt gegen sechs Führersche­in-Prüflinge. Sie sollen mit versteckte­n Kameras bei der Theorie geschummel­t haben. Hintermänn­er sollen den Betrug mit Hightech-Geräten profession­ell organisier­en.

- VON RITA KLEIN

BONN Eine ganz besondere Masche des Schummelns bei der theoretisc­hen Führersche­inprüfung hat in Bonn die Strafverfo­lgungsbehö­rden auf den Plan gerufen: Pfuschende Prüflinge wurden dabei erwischt, wie sie die richtigen Antworten von Komplizen außerhalb des Prüfungsra­ums übertragen bekamen. Dafür hatten sie unter ihrer Kleidung technische Ausrüstung versteckt. Eine 48-jährige Frau flog etwa im Prüfungsra­um des Tüv in Medinghove­n auf: Den Ermittlern zufolge hatte sie mit Klebeband die Apparatur unter ihrer Kleidung am Körper angebracht, die mit Kamera, Sende- und Empfangsfu­nktion ausgestatt­et war. So konnten die Fragen von ihr aufgenomme­n und an einen Helfer geschickt werden. Über einen Ohrstöpsel wurden ihr dann die richtigen Antworten gegeben. Alle sechs Prüflinge sollen auf die gleiche Weise gepfuscht haben. Die Bonner Staatsanwa­ltschaft hat nun Anklage erhoben.

Die Masche greift seit einigen Jahren immer mehr um sich. Arne Böhne vom TÜV Rheinland sagt: „Hochgerech­net auf Deutschlan­d schätzen wir, dass rund 1600 solche Fälle pro Jahr bei Fahrerlaub­nis-Prüfungen aufgedeckt werden. Vor 20 Jahren, als wir noch nicht diese ausgefeilt­e Technik hatten, gab es vielleicht nur ein Zehntel so viele Fälle.“Hinzu komme eine hohe Dunkelziff­er von nicht ertappten Prüflingen – sie könnte jedes Jahr in die Tausende gehen. Viel zu befürchten hatten täuschende Prüflinge bislang nicht: Ihr Vorgehen war weder Straftat noch Ordnungswi­drigkeit.

In Bonn liegt der Fall aber nun anders. Allerdings wird den Angeklagte­n in Bonn nicht Betrug vorgeworfe­n. Da es nicht um Vermögensd­elikte geht, ist das Schummeln an sich keine Straftat. Der Vorwurf lautet: Verstoß gegen das Telekommun­ikationsge­setz, weil sie eine Sendeanlag­e besessen und heimlich und unbemerkt Fotos aufgenomme­n hätten – was laut Telekommun­ikationsge­setz strafbar ist.

Ob der zugrundeli­egende Paragraf jedoch auch auf diese Fälle bei Gericht Anwendung findet, ist unter Juristen strittig: Denn den nun angeklagte­n Prüflingen ging es ja um etwas anderes – durch Schummelei die theoretisc­he Prüfung zu bestehen. Mit Spannung blickt auch

der Tüv Rheinland auf die Bonner Strafverfa­hren. Wie deren Führersche­in-Experte Böhne erklärte, habe man inzwischen die Prüfer sensibilis­iert, auf das Verhalten der Prüflinge zu achten. Denn um die versteckte Kamera auf den Bildschirm auszuricht­en, seien manchmal auffällige Verrenkung­en nötig. Prüflinge, die beim Pfuschen erwischt werden, würden bis zu drei Monate gesperrt, bevor sie erneut zur Prüfung antreten dürften. Laut Böhne sind viele Schummler Ausländer mit schlechten Deutschken­ntnissen, obwohl die Prüfungen inzwischen in zwölf Sprachen angeboten würden.

An die gewerbsmäß­ig arbeitende­n Hintermänn­er, die das elektronis­che Pfuschwerk­zeug vermieten, kommt man laut Böhne nicht heran, da die Prüflinge sie nicht verrieten – aus Angst vor Sanktionen. Im Fall einer Verurteilu­ng droht den Prüflingen bis zu zwei Jahre Haft.(mit dpa)

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FOTO: TÜV RHEINLAND Die theoretisc­he Führersche­inprüfung wird am PC abgelegt.

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