Rheinische Post Opladen

„Die Pause hat Spuren hinterlass­en“

Der Skisprung-Weltmeiste­r arbeitet nach zwei Kreuzbandr­issen an seinem Comeback.

- CHRISTINA RENTMEISTE­R FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Freund, sie arbeiten nach Ihrem Kreuzbandr­iss seit einem Jahr an Ihrem Comeback. Zum Start am Samstag in Wisla reicht es noch nicht. Wann sehen wir Sie wieder im Weltcup?

SEVERIN FREUND Der Trainer und ich haben beschlosse­n das erste Springen in Wisla auszulasse­n. Ich habe so noch ein bisschen mehr Zeit, um mich vorzuberei­ten. Aber in Kuusamo gehe ich dann an den Start. Ich mag die Schanze und fühle mich dort sehr wohl.

Brauchen Sie noch ein paar Sprünge auf Schnee, um wieder wettbewerb­sfähig zu sein?

FREUND Ich merke schon, dass Fortschrit­t drin ist. Ich spüre aber auch, dass die zwei Jahre ohne Sprünge ihre Spuren hinterlass­en haben. Es geht nicht so leicht.

Was genau geht nicht mehr so leicht?

FREUND Das Fehlerabst­ellen geht nicht mehr ganz so einfach wie früher, wenn ich in Topform war. Es kann im Skispringe­n aber auch sehr, sehr schnell gehen, wenn ein paar Bausteine wieder aufeinande­r passen. Genauso kann es aber auch etwas länger dauern. Da bin ich ziemlich gelassen. Dass es nicht von heute auf morgen geht, war in dem Moment klar, als ich gesagt habe, ich mache die Reha und habe das Ziel, Weltcup zu springen und auf dem Podium zu stehen. Dass sich der Sport und die Jungs im Team weiterentw­ickelt haben, ist mir auch klar. Deswegen gibt es noch genug Arbeit für mich.

Mussten Sie das Fliegen nach zwei Jahren Abwesenhei­t von der Schanze wieder neu lernen?

FREUND Vor allem habe ich mich gefreut, wieder auf die Schanze zu gehen. Mit meditation­sartigen Übungen habe ich zwar versucht, die Sprünge auf der Schanze zu imitieren, aber hauptsächl­ich war es in der Reha körperlich­e Arbeit. Und wenn du dann das erste Mal wieder auf der Schanze bist, ist das etwas unglaublic­h Schönes. Gleichzeit­ig hast du aber das Gefühl von den Sprüngen davor in Erinnerung und merkst, dass es nicht mehr so einfach geht. Die Bewegung hat sich durch die Knieoperat­ion verändert, Fehler passieren, und ich musste einige Abläufe erst wieder neu anlernen.

Haben Sie in der Reha mal ans Aufgeben gedacht?

FREUND Die Motivation war nicht immer gleich hoch. Es ist aber nie an den Punkt gekommen, an dem ich mir gedacht habe, ich habe keinen Bock mehr und lasse es sein. Im Januar, Februar habe ich schon gemerkt, dass ich schon ein halbes Jahr auf das Comeback hinarbeite, wusste aber, dass ich mindestens nochmal die gleiche Zeit brauche, bevor ich das erste Mal wieder auf der Schanze bin. Im Winter das erste Mal wieder auf Schnee zu sein, und wenn es auch nur auf Langlaufsk­i waren, war dann zum Beispiel ein Moment, der mir wieder Kraft gegeben hat.

Haben die Verletzung­en den Blick auf Erfolge und Ziele verändert? FREUND Man nimmt sich schon mal einen Moment und macht sich bewusst, dass man sehr dankbar sein kann für das, was man erreicht hat. Aber die Motivation und der Hunger auf weitere Erfolge sind nicht weniger groß. Ich will nicht nur springen, um dabei zu sein.

Dabei haben Sie schon viele Titel gewonnen. Letzte Saison haben ihre Teamkolleg­en um den Einzel-Olympiasie­ger Andreas Wellinger die Erfolge gefeiert. War es schwer, dabei von zu Hause aus zuzuschaue­n?

FREUND Die Spiele waren relativ easy für mich. Bei der Skiflug-WM war es schlimmer, weil das eine Veranstalt­ung war, an der schon Emotionen hingen. Oberstdorf war damals die erste Skiflugsch­anze, auf der ich begriffen habe, was Skifliegen sein kann, wenn man die richtige Form hat. Da nicht dabei zu sein, war bitterer als bei den Olympische­n Spielen zu fehlen. Vielleicht auch, weil ich in Sotschi schon Teamgold gewonnen hatte und ich nie der war, für den Olympia das Größte war. Da war es nicht so, dass ich hätte heulend vorm Fernseher sitzen müssen. Im Gegenteil, ich habe mit den Jungs mitgefiebe­rt. Es war sehr viel Freude dabei und nicht so sehr der Gedanke „wie blöd, dass ich jetzt nicht dabei bin“.

Haben Sie noch ein großes Ziel im Skispringe­n?

FREUND Für diese Saison ist der Fokus erstmal auf der WM. Die Tournee wird für mich zu früh kommen, da bin ich Realist genug. Bis zur WM kann sich schon noch was entwickeln. Für die Restkarrie­re, wie lange die dann auch immer dauern wird, ist das Ziel wieder ganz oben auf dem Podium zu stehen. Ich habe kein Event, bei dem es noch klappen muss, damit ich am Ende sage, nur dann hatte ich eine schöne Karriere. Mit der nordischen WM in Oberstdorf zum Beispiel gibt es aber schon noch ein Fernziel, das attraktiv ist.

Durch die Erfolge des Teams im vergangen Jahr gab es eine neuen Skisprung-Hype in Deutschlan­d, und die jüngeren Springer sind wieder Teenie-Stars. Ist das gut für Sie?

FREUND Ich bin sehr froh, dass unser Team so stark ist. Wenn ich in einem schwächere­n Team wäre oder einem, dass nur aus drei Leuten besteht, wäre das Interesse an meiner Person viel größer. Für den Moment ist es besser, wenn ich mich in Ruhe entwickeln und daran arbeiten kann, dass ich mich in dem starken Team wieder etabliere, als wenn es jede Woche wieder heißt: „Wie weit ist er denn? Wann kommt er denn wieder dazu?“Unser Team hat es ja über all die Jahre ausgemacht, dass ich nie der einzige war, der aufs Podest springen konnte. Das muss auch der Anspruch unserer Mannschaft sein. Es gibt viele Leute in unserem Team, die Großes erreichen können und das ist vor einer Saison die beste Ausgangsla­ge.

 ?? FOTOS: DPA ?? Severin Freund schaut vor einem Sprung bei der Vierschanz­entournee in Oberstdorf vom Balken ins Tal. Nach zweijährig­er Verletzung­spause will der Bayer in dieser Saison wieder in den Weltcup einsteigen. Auf der Schanze fühlt er sich wieder wohl. Wieder ganz oben zu stehen, ist sein Ziel.
FOTOS: DPA Severin Freund schaut vor einem Sprung bei der Vierschanz­entournee in Oberstdorf vom Balken ins Tal. Nach zweijährig­er Verletzung­spause will der Bayer in dieser Saison wieder in den Weltcup einsteigen. Auf der Schanze fühlt er sich wieder wohl. Wieder ganz oben zu stehen, ist sein Ziel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany