Rheinische Post Opladen

Keiner hat Lust auf Winterspie­le

Das IOC bekommt die Quittung für den Gigantismu­s im Zeichen der Ringe und findet keine Städte mehr, die bereit sind, Milliarden zu zahlen.

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Die Bewohner von Calgary haben sich in einem Referendum gegen die Olympische­n Winterspie­le 2026 in der kanadische­n Stadt entschiede­n.56,4 Prozent der Stimmberec­htigten erteilten der Ausrichtun­g eine Absage, 43,6 Prozent waren dafür. Für das Internatio­nale Olympische Komitee um seinen deutschen Präsidente­n Thomas Bach ist das eine schallende Ohrfeige. Denn dem IOC gehen schlicht die Bewerber aus. In Stockholm und Mailand/ Cortina d’Ampezzo sind nur noch zwei Kandidaten im Rennen um den Austragung­sort. In Schweden wackelt indes die politische Unterstütz­ung gewaltig, und in Italien hat man noch nicht einmal einen blassen Schimmer, wie man das Großprojek­t finanziere­n soll, wo noch nicht einmal das Geld für das Nötigste zur Verfügung steht.

Zuvor waren bereits Sapporo (Japan), Graz mit Schladming (Österreich) sowie Sion (Schweiz) aus dem Kreis der Bewerber ausgeschie­den. Buenos Aires hätte gerne, doch das war selbst Bach etwas zu wild. In Deutschlan­d gab es zuletzt für die Spiele 2022 konkrete Überlegung­en – die Bürger votierten nur deutlich gegen das Vorhaben. Das IOC steht zusehends alleine da und kann seine Position auch nicht dadurch verbessen, immer wieder zu betonen, es ginge auch ein paar Nummern kleiner. Selbst ein paar Nummern kleiner ist immer noch ein paar Nummern zu groß. Und vor allem zu teuer.

Zu oft wurde in der Vergangenh­eit gelogen. Zu oft sind Kosten am Ende explodiert. Zu oft nahm man es nach dem letzten Wettkampf in Sachen Nachhaltig­keit nicht mehr ganz so ernst. Etliche Beispiele von Athen (Sommer) bis Sotschi ( Winter) liefern eindrucksv­olle Zeugnisse von Missmanage­ment im Zeichen der Ringe. Der Zeitgeist steht dem vor allem in westlichen Ländern entgegen. Genug vom „Höher, Schneller, Weiter“. Die Menschen wollen ehrliche Spiele – zu fairen Bedingunge­n – und keine Endlos-Schummelei­en. Doch noch hat das IOC den Sport zu fest im Griff.

Der Unmut wird aber spürbar lauter. Er zeigt sich in der Ablehnung solcher Projekte. Er wird aber auch sichtbar in der von Max Hartung vorangetri­ebenen Athletenve­rtretung. Der Säbelfecht­er könnte zur echten Gefahr für Bach werden. Hartung schickt sich an, den Sportlern selbst eine Lobby zu schaffen. Die wollen nicht nur Statisten in einem großen Spiel sein, sondern selbst die Zügel in die Hand nehmen. Heißt im Klartext: Sie wollen mindestens am Spektakel mitverdien­en. Die Frage ist nur: Wer ist noch bereit dafür zu zahlen?

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