Kohl bekomm’s
Einst als Arme-Leute-Essen verschrien, gilt Kohl in den USA mittlerweile als Superfood. Auch in Deutschland kommt das Gemüse wieder öfter auf die Teller – leicht, abgewandelt, modern.
Auf den Feldern der Familie Coenen in Kaarst wächst der Kohl in diesem Jahr zum ersten Mal in Rosa. „Das ist das neue Trendgemüse“, erklärt Ulrike Coenen. Der Name des ungewöhnlich gefärbten Kohls: Flower Sprout. Dahinter steckt Altbekanntes: „Es ist eine Kreuzung aus Rosenkohl und Grünkohl“, erklärt Coenen, die selbst schon gute Erfahrungen mit dem Gemüse gemacht hat: „Weil es so schön bunt ist, essen es meine beiden Kinder gerne, Flower Sprout sieht einfach poppiger aus und bildet keine festen Kugeln wie Rosenkohl, sondern dichte, kleine Blätter.“
Die Blätter pflückt sie ab und bereitet daraus schnell eine Beilage zu: „Etwas Butter in eine Pfanne, dann die Blätter dazu, fünf Minuten schwenken – fertig. Das Gemüse schmeckt zum Beispiel zu Fleisch oder Fisch und ist sehr gesund.“Meist gibt sie etwas Kümmel dazu, damit der Kohl bekömmlicher ist. „Ich verwende immer gemahlenen Kümmel, der schmeckt nicht ganz so intensiv wie die Körner.“Wer diese bevorzuge, solle sie zunächst anquetschen, damit die ätherischen Öle, die Blähungen entgegenwirken, entweichen. Und damit die Küche nach dem Kochen nicht nach Kohl riecht, lüftet sie und zündet ein Räucherstäbchen an: „Das hilft sofort. Allerdings sollte man auf gute Qualität achten, nichts künstlich Aromatisiertes nehmen.“
Auf rund zweieinhalb Hektar baut Familie Coenen in Kaarst-Driesch Kohl an und verkauft ihn im Hofladen. „Den größten Teil davon machen Grünkohl und Wirsing aus“, sagt Landwirt Rainer Coenen. Als Direktvermarkter produziert er eher kleine Mengen. Im Regierungsbezirk bauten die Landwirte 2017 laut Landwirtschaftskammer NRW auf 2121 Hektar Kohlgemüse an – und ernteten 115.420,5 Tonnen.
Wirsing, Blumenkohl, Weißkohl, Spitzkohl, Rotkohl, Grünkohl, Kohlrabi: Was einst als Oma- oder Arme-Leute-Essen verschmäht wurde, erlebt eine Renaissance. Kein Wunder, denn Kohl ist gesund: „Alle Kohlarten enthalten verhältnismäßig viel Vitamin C und Schwefel“, erklärt Dagmar Diepers, Vorsitzende der Landfrauen in Issum-Sevelen. Kohl fördere wegen seiner Ballaststoffe nicht nur die Verdauung, sondern der Schwefel „desinfiziere“gleichzeitig den Verdauungstrakt. „In der Region wird besonders rund um Kempen viel Kohlgemüse angebaut. Der Kohl mag schweren, fettigen Boden zum Wachsen. Feinkohl wie Kohlrabi wächst auch auf leichterem Boden, etwa im Großraum Straelen“, sagt Diepers.
Dass Kohl nicht nur als Eintopf auf den Teller kommen kann, weiß Petra Kolip, Professorin an der Universität Bielefeld. Sie hält Kohl für ein völlig unterschätztes Gemüse – zumindest in Deutschland. „In den USA gilt Kohl längst als Superfood“, berichtet Kolip, die gerade ein Kohl-Kochbuch veröffentlicht hat. „Es ist ein unglaublich gesundes und vielfältiges Gemüse, das wenig Kalorien, viele Ballaststoffe und einen hohen Vitamin-C-Gehalt hat.“
Auf den Geschmack kam Kolip, aufgewachsen im Westfälischen, in ihrer Kindheit. „Für mich ist das Heimatküche“, sagt sie. Auf Reisen entdeckte sie dann aber, dass Kohl auch noch ganz anders zubereitet werden kann sie es zuhause mit „Wirsing Durcheinander“(Wirsing und zerdrückte Kartoffeln, dazu kleingeschnittene Bratwurst), Grünkohl mit Mettwurst oder mit Hackfleisch gefüllte Kohlrouladen kennen gelernt hatte: „In Frankreich gibt es zum Beispiel diese kleinen Kohlrouladen nicht. Die Franzosen machen eine Variante, bei der sie eine Art mit Bändern verschnürte große Kohltorte in einem Topf zubereiten.“In Russland seien gesäuerte Kohlrouladen, deren Geschmack an Sauerkraut erinnere, sehr beliebt. Und in Asien gehöre Kohl in jede Garküche. Genau das sei es, was sie fasziniert habe, berichtet Kolip: „Kohl ist wirklich sehr variabel.“
Am liebsten nutzt sie die Blätter zum Wickeln: „Wirsing, Weißkohl, Rotkohl, Chinakohl, Pak Choi und sogar Grünkohl kann man zu Päckchen verarbeiten“, erklärt Kolip. „Die Füllungen wählt man dann je nach Geschmack – ob vegetarisch oder mit Fleisch.“Selbst Kinder würden dann die häufig eher kritisch beäugten Kohlarten gerne essen: „Es hat ja etwas von einem Geschenkpaket, das sie auf ihrem Teller auspacken dürfen.“
Wer keine Lust habe, kleine Päckchen zu schnüren, lege die Kohlrollen einfach in eine Auflaufform im Backofen. Ideal sei, mehrere Varianten zu wickeln – in kleinen Finger-Food-Größen, um alles durchprobieren zu können. „Spitzkohl übrigens ist auch gut für ,Neulinge’ geeignet – der ist noch etwas bekömmlicher.“Ihr Tipp: „Wirsing kann man super als Rohkost essen. Man schneidet ihn fein in Streifen, knetet das Gemisch durch, damit der Kohl etwas mürbe wird, und serviert das Ganze mit Walnuss- oder Haselnussöl.“
Die Kohl-Expertin hat bei ihrer Recherche für das Kochbuch zudem erfahren, dass in einigen Regionen Kohl nicht nur als Nahrungsmittel beliebt ist: „Es gibt Grünkohlarten, die so hoch wachsen, dass sie als Material für Spazierstöcke genutzt werden können, weil ihre Strunke so hart sind. Sie heißen Ostfriesische Palme.“
Für Ulrike Coenen geht übrigens – trotz Flower Sprout – nichts über Rosenkohl. Sie dämpft ihn, damit er nicht zu wässrig wird, und schwenkt ihn mit Butter, Walnüssen, und dunklen Weintrauben in einer Pfanne an. „Das gibt dem Rosenkohl noch einmal einen ganz anderen Geschmack und geht blitzschnell.“ Panierte Spitzkohlpäckchen Zutaten 16 Spitzkohlblätter, Salz, schwarzer Pfeffer, 1 El Pinienkerne, 50 g in Öl eingelegte getrocknete Tomaten,100 g Ricotta, 2 El geriebener Parmesan,1 Ei, 3 El Mehl, 50 g Paniermehl,3 El Butter
Zubereitung Spitzkohlblätter in Salzwasser fünf Minuten blanchieren und trocknen, dann die Blattrippen flach schneiden. Blätter auf einer Arbeitsplatte auslegen. Salzen und pfeffern. Danach Pinienkerne ohne Fett hellbraun rösten, dann grob hacken. Tomaten abtropfen lassen, feinhacken und mit Ricotta, Pinienkernen und Käse vermischen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Je einen Esslöffel der Masse auf ein Blatt geben. Zum Päckchen falten und mit Zahnstocher verschließen. Ei mit Salz und Pfeffer verquirlen. Das Päckchen zunächst in Mehl, Ei und dann in Semmelbröseln wenden. Butter in einer Pfanne erhitzen und Päckchen von allen Seiten bei mittlerer Hitze hellbraun anbraten. Hitze reduzieren, Deckel auflegen und fünf Minuten fertiggaren.
Mallorquinischer Kohleintopf Zutaten 3 Tomaten, 2 rote Paprikas, 2 Zwiebeln, 5 Knoblauchzehen, 500 g Weißkohl,4 El Olivenöl, 1 l Gemüsebrühe, Salz, schwarzer Pfeffer, Rosenpaprikapulver nach Geschmack, 4 Scheiben Weißbrot
Zubereitung Tomaten kreuzweise am Blütenansatz einschneiden, überbrühen und die Haut abziehen. Stielansatz herausschneiden, danach in grobe Würfel schneiden. Paprikas waschen, vierteln, weiße Trennwände und Kerne entfernen. In Würfel schneiden. Zwiebeln grob würfeln. Knoblauchzehen schälen und mit etwas Salz pressen.
Den Weißkohl-Strunk entfernen, Kopf in schmale Streifen schneiden. Öl in einem großen Topf erhitzen, Gemüse hineingeben und bei mittlerer Hitze anbraten. Knoblauch hinzufügen, mit Brühe ablöschen. Mit Salz, Pfeffer und Rosenpaprika kräftig würzen. Bei mittlerer Hitze etwa 20 Minuten garen. Mit leicht angeröstetem Weißbrot servieren.
Die Rezepte stammen aus „Kohlrouladen & Krautwickel“, Petra Kolip, Hädecke, 28 Euro